Der Mensch lebt nicht vom Benzin allein
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Kommentar
Der Mensch lebt nicht vom Benzin allein
Über sechs Prozent der Weltgetreideernte wanderte 2010 in die Produktion von Ethanol, die nicht zuletzt in den USA vom Staat milliarden-schwer subventioniert wird. Tendenz steigend. Wenn die Deutschen keine Angst um ihre PKW-Motoren hätten, würden sie auch mehr E 10-Benzin tanken. Was kümmert die Lobby der internationalen Konzerne für Getreide und Benzin schon die Preise für die Ernährung der Menschen in der Dritten Welt? Offensichtlich genauso wenig wie die Brasilianer, die unverdrossen ihre Regenwälder abholzen, um neues Land für Soja, Mais und Weizen zu gewinnen. Klimakatastrophe, ausgelaugte Böden, entwurzelte Ureinwohner – wen interessiert das schon in den Konzernetagen, die nach dem Motto „Nach uns die Sintflut“ handeln. Mit moralischen Appellen kommt man den Konzernen nicht bei, deren Verantwortliche nicht einmal spüren, wenn die Preise für die Grundnahrungsmittel der wachsenden Weltbevölkerung immer weiter klettern. Ihre Gewinnspannen sind hoch genug, um das Doppelte oder Dreifache für ein Brot oder ein Steak zu bezahlen. Deshalb sind sie auch taub für die Forderung, dass der Weizen auf den Tisch und nicht in die Vergärungs-anlage gehört. Und genau an diesem Punkt kann, ja muss Wissenschaftsmana-gement ansetzen. Die Landwirtschaftsfakultäten verfügen über genügend Sachver-stand, um der Landwirtschaft und der Politik klar zu machen, dass der Mensch nicht vom Benzin allein lebt. Soll heißen: Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um einen verantwortlichen Umgang mit dem uns zur Verfügung stehenden Boden und Wasser. Gutes Wissenschaftsmanagement kann dafür sorgen, dass erst die Grundbedürfnisse des Menschen, nämlich seine Ernährung, gesichert werden. Und dies nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Dabei ist auf einen verantwortlichen Umgang mit Böden und Wasser zu achten, wobei die Förderung der Bio-Landwirtschaft in den europäischen Regionen ein besonderes Augenmerk verdient. Dann sind zunächst organische Abfälle für Biogasanlagen zu verwenden. Bleiben Flächen übrig, dann können diese verantwortungsvoll für die Produktion von Biosprit verwandt werden. Wissenschaftsmanagement kann hier zunächst eine wichtige Mediatorenrolle einnehmen, um das Problembewusstsein der Interessengruppen zu stärken und gemeinsame Lösungen zu suchen – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Ferner soll und kann Wissenschaftsmanagement helfen, die Ernährungsproduktion zu sichern, die allen Menschen Lebensmittel zu erschwinglichen Preisen ermöglicht. Das setzt freilich voraus, dass Wissenschaftsmanagement in den Konzernen angesiedelt und mit notwendigem Einfluss auf Entscheidungen der Konzerne ausgestattet wird. Aber auch die nationale und europäische Landwirtschaftspolitik kommt ohne ein unabhängiges und durchsetzungsfähiges Wissenschaftsmanagement nicht mehr aus. Je früher ein solches Wissenschaftsmanagement installiert wird, desto eher lässt sich eine neue Ernährungskatastrophe verhindern. Und jede dieser Katastrophen wird schlimmer ausfallen als die vorherige, weil der Raubbau an Boden und Wasser immer größer wird. Bild: s.media/pixelio



















