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Turbo-Probleme

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K. Rüdiger Durth

KOMMENTAR

Turbo-Probleme

Über G 8 und G 9 muss neu nachgedacht werden

Die Reifeprüfung nach acht statt wie früher nach neun Schuljahren war von Anfang an umstritten. Nicht nur, weil schulische Änderungen grundsätzlich die Eltern zum lautstarken Protest verleiten, die Pädagogen in zahllose Lager spalten und die (meist selbsternannten) Bildungsexperten in den Parlamenten zu rhetorischer Hochform auflaufen lassen. Nachdem nun die ersten Abiturprüfungen aus G 8 (nicht zu verwechseln mit dem jährlichen Spitzentreffen der Staats- und Regierungschefs der acht wichtigsten Industriestaaten) und G 9 vorliegen, macht sich Ernüchterung breit. G-8-Abiturienten weisen eine höhere Durchfallquote auf als G-9-Abiturienten.

Doch das allein spricht nicht gegen das Turbo-Abitur, das in der früheren DDR üblich war und nach der deutschen Einheit weithin von den neuen Bundesländern übernommen wurde. Schnell kam die Frage auf, ob nicht auch in den alten Bundesländern G 8 anstelle des traditio-nellen G 9 eingeführt werden sollte. Vieles sprach dafür: Im europäischen Ausland gelangten die Schüler früher auf die Universität und standen dann als junge Akademiker früher dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Wehr- und Zivildienst verzögerten zudem den Beginn des Studiums. Aber auch viele Mädchen entschlossen sich zu einem sozialen Jahr, um Klarheit über ihre Studienwahl zu gewinnen. Ferner meinten viele, das 9. Gymnasialjahr sei ohnehin in Wahrheit nur ein halbes Schuljahr, das man durchaus auch streichen könne. Und so setzte sich das G 8 schnell durch, das bald den Namen Turbo-Abitur erhielt: Statt grundlegend erneuerter Lehrpläne wurden die vorhandenen auf nunmehr acht Gymnasialjahre verteilt, was zu einem erheblichen Anstieg der Unterrichtszeit in den betreffenden Klassen führte. Da man ohnehin dabei war, immer mehr Schulen zu Ganztagsschulen umzubauen und mit Mensen auszustatten, war das offensichtlich kein Problem. Doch längst hat man die Schattenseiten des Turbo-Abitur erkannt: Junge Menschen brauchen Zeit, um Wissen aufzunehmen. Auswendiglernen reicht nicht. Da Bildung mehr als Wissen ist, benötigt sie auch Zeit. Goethe und Brecht wollen ganz gelesen werden und nicht nur in Ausschnitten. Und spätnachmittags kommen meist ausgepowerte Schüler nach Hause, die sich höchstens noch auf ihren PC stürzen. Die Jugendorganisationen – von der Feuerwehr bis zum Roten Kreuz, von den Naturschutzverbänden bis zu den Kirchen – klagen über Nachwuchsmangel. Nicht der demographische Wandel ist gegenwärtig daran schuld, sondern die Überforderung der jungen Menschen durch ein Schulsystem, das von Grund auf reformiert werden muss. Also weg mit dem Turbo-Abitur? Das ist nicht die Alternative. Nötig ist eine bessere und auf die moderne Schule zugeschnittene Ausbildung der künftigen Lehrerinnen und Lehrer. Dazu muss eine Reform der Lehrpläne kommen, die dem G 8 angemessen sind. Und nicht weniger wichtig dürfte es sein, Eltern und Schülern die Wahl zwischen G 8 und G 9 zu ermöglichen. In der Tat lernen die einen jungen Menschen schneller als die anderen – ohne deshalb besser oder schlechter zu sein. Und die einen jungen Menschen brauchen mehr Zeit, um sich auf das Leben der Erwachsenen vorzubereiten. Und wenn es dem Unterricht in G 8 oder G 9 gelingt, Stärken und Interessen der jungen Menschen zu fördern, dann stehen auch nicht mehr als ein Drittel der Abiturienten vor der bangen Frage, was sie studieren sollen. Wer mit dem Verlassen der höheren Schule weiß, was er studieren will, wird später seltener sein Studium wechseln oder ganz abbrechen. Auch dadurch lässt sich viel Zeit einsparen – und öffentliche Gelder dazu. Das Turbo-Abitur in Bausch und Bogen zu verurteilen ist ebenso falsch wie es für den Stein der Weisen zu halten. Es geht darum, seine Schwächen aufzudecken, sie abzuschaffen und Wahlmöglichkeiten zwischen G 8 und G 9 – am besten in einer Schule – zu schaffen. Das wäre übrigens eine große Aufgabe für ein Wissenschafts-management der Pädagogik, das sich mehr als lohnen würde. Für den Einzelnen, für die Wissenschaft, und damit für die Gesellschaft. Foto: Dieter Schütz/pixelio