Wirksame Strategien zur Konfliktlösung im Team
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Konfliktmanagement
Wirksame Strategien zur Konfliktlösung im Team

Konflikte sind auch an Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen, wo Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen, Arbeitsweisen und teilweise auch verschiedenen Zielen zusammenarbeiten, unvermeidlich. Für Konflikte kann es zwar zahlreiche unterschiedliche Ursachen geben, jedoch lassen sich im Wesentlichen drei Hauptursachen identifizieren: unzureichende Kommunikation, divergierende Interessen sowie unzureichende Konvergenz auf zwischenmenschlicher Ebene.
Die Rolle einer Führungskraft bei einem Konflikt im Team
Konflikte zwischen Mitarbeiter:innen beeinträchtigen in aller Regel das Arbeitsklima und reduzieren spätestens mittelfristig Produktivität sowie Effizienz (Mauersberger 2019, 16 ff., 17).
Eine Führungskraft ist daher nicht allein für die Erreichung von Team-, Abteilungs- oder Projektzielen verantwortlich, sondern auch für die Förderung eines positiven Arbeitsumfelds und einer guten Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeiter:innen (Kammerhoff 2018, 141 ff.). Aus diesen Gründen bestehen unabdingbare Aufgaben einer Führungskraft darin, Konflikte im eigenen Verantwortungsbereich bewusst wahrzunehmen, bei Konflikten frühzeitig zu intervenieren und geeignete Strategien zur Konfliktlösung anzuwenden. Denn es gilt, dass Führung auch in Hochschule und Wissenschaft erforderlich ist, um Kernaufgaben und Supportfunktionen sicherzustellen (Wagner 2021, 6 ff.).
Führungskräfte sollten sich darüber im Klaren sein, dass Konflikte früher oder später in jedem Team auftreten können. Um dem entgegenzuwirken werden im Folgenden zwei praxisorientierte Instrumente dargestellt – wobei eines proaktiv, das andere reaktiv anwendbar ist.
Instrument 1: Proaktives Arbeitsklima-Feedback
Führungskräfte sollten die Möglichkeit nutzen den Aspekt Arbeitsklima in einem festgelegten Turnus zu thematisieren. Dies kann einerseits in Team-Meetings erfolgen, sofern sich alle Mitarbeiter:innen dazu bereit erklären. So kann beispielweise ein fester Agendapunkt in einem allmonatlichen Team-Meeting darin bestehen, die Frage „Wie läuft die Zusammenarbeit im Team?“ zu stellen. Die Antworten der Mitarbeiter:innen können der Führungskraft Hinweise auf sich anbahnende oder bereits existierende Konflikte geben. Diese Vorgehensweise ist jedoch allein dann zu empfehlen, wenn die Mitarbeiter:innen untereinander sowie auch gegenüber ihrer Führungskraft einen sehr offenen und konstruktiven Umgang pflegen.
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Instrument 2: Gespräche zur Konfliktlösung zwischen zwei Mitarbeiter:innen
Im Gegensatz zum proaktiven Instrument 1 kommt Instrument 2 reaktiv zur Anwendung, also bei einem sich abzeichnenden oder bereits virulentem Konfliktfall. In solch einer Situation entscheidet die Führungskraft in welcher Gesprächskonstellation sie eine Konfliktlösung anstrebt. In jedem Fall ist eine Führungskraft gefordert, frühzeitig einzugreifen, bevor sich ein Konflikt zuspitzt. Sie sollte diesbezüglich aufmerksam sein und Anzeichen von Spannungen oder Konflikten zwischen Mitarbeiter:innen möglichst frühzeitig erkennen (siehe Instrument 1).
Im Regelfall werden zunächst Einzelgespräche mit den beiden beteiligten Mitarbeiter:innen geführt. In diesen Gesprächen sollte die Führungskraft den Mitarbeiter:innen die Gelegenheit geben, ihre Interessen, Standpunkte, Bedenken und Gefühle auszudrücken. Dies ermöglicht der Führungskraft eine gründliche Situationsanalyse, um die Konfliktursachen sowie die Interessen und Bedürfnisse der Konfliktparteien zu verstehen. Die Führungskraft sollte aktiv zuhören, um Konfliktanlass und Konfliktereignisse bestmöglich zu verstehen, sowie eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen, in der sich die Mitarbeiter:innen öffnen können. Auch Lösungsansätze für eine Konfliktbeilegung sollten expliziter Bestandteil der Einzelgespräche sein. Ab diesem Zeitpunkt sollte die Führungskraft streng neutral bleiben. Für eine konstruktive Konfliktlösung erweist es sich als essenziell, nicht Partei zu ergreifen oder persönliche Präferenzen zu zeigen. Die Führungskraft sollte in Hinblick auf eine faire Konfliktlösung möglichst objektiv bleiben und alle Informationen und Standpunkte sorgfältig prüfen. Neutralität schafft Vertrauen und erleichtert es den Mitarbeiter:innen, ihre Kritikpunkte zu teilen und an der Konfliktlösung aktiv mitzuwirken.
Im Ausnahmefall kann die Führungskraft auch sofort ein Gespräch mit den beiden betreffenden Mitarbeiter:innen ansetzen. Dies sollte jedoch allein dann erfolgen, wenn sich die Führungskraft sicher ist, dass eine Konfliktlösung durch ein direktes Dreiergespräch von hoher Wahrscheinlichkeit ist. Je länger ein Konflikt bereits andauert, je deutlicher sich der Konflikt auf der Beziehungsebene befindet, je unsicherer sich die Führungskraft über ihre Fertigkeit zur konstruktiven Steuerung eines Konfliktlösungsgesprächs ist, desto nachdrücklicher empfehlen sich vorangehende Einzelgespräche.
Vor Beginn des Konfliktlösungsgespräches zu dritt sollte die Führungskraft in jedem Falle über alle Informationen verfügen, die als ursächlich für den Konflikt gelten. Die Führungskraft lädt die beiden beteiligten Mitarbeiter: innen dann mit einem Vorlauf von rund einer Woche zum Konfliktlösungsgespräch ein. Dabei betont die Führungskraft, dass das Gespräch zu einer Konfliktlösung führen soll, worauf sich beide Mitarbeiter:innen einstellen mögen.
Das Konfliktlösungsgespräch zu dritt wird durch die Führungskraft in konstruktiver Weise begonnen. Die Führungskraft hebt hervor, dass sie eine neutrale Position einnimmt und dass dieses Gespräch dem Zweck dient, zukünftig (wieder) besser zusammenarbeiten zu können – auch innerhalb des gesamten Teams. Dabei macht sie deutlich, dass letztlich die gesamte Team-Zusammenarbeit durch einen Konflikt zwischen zwei Teammitgliedern leidet.
Im Anschluss daran gibt die Führungskraft ihr zusammengefasstes Bild von der Konfliktsituation möglichst sachlich und faktenbasiert wieder. Die Führungskraft erläutert – gemäß ihrem Kenntnisstand – Anlass und Kern des Konflikts. Dabei werden vertrauliche Informationen aus den beiden Einzelgesprächen nicht genannt. Das Bild der Führungskraft sollte in einer Weise reduziert beziehungsweise zusammengefasst kommuniziert werden, dass beide Mitarbeiter:innen den Aussagen grundsätzlich zustimmen können.
Anschließend fragt die Führungskraft beide Mitarbeiter:innen nach ihrer Bereitschaft, den Konflikt aktiv zu lösen. Dadurch soll die Führungskraft den Grad an Commitment erfahren, mit dem beide Mitarbeiter:innen tatsächlich an einer Konfliktlösung arbeiten wollen. Falls der Grad an Commitment aus Perspektive der Führungskraft zu gering ausfallen sollte, erläutert die Führungskraft kurz, prägnant und mit hoher Bestimmtheit, aus welchen Gründen sie einen fortdauernden Konflikt in ihrem Verantwortungsbereich nicht akzeptieren kann.
Im Regelfall sollte die Führungskraft anschließend Gesprächsregeln respektive Erwartungen an das Gesprächsverhalten nennen. Das Gespräch könnte von Emotionen geprägt sein. Daher ist es wichtig, dass die Führungskraft erläutert, dass es kein Ins-Wort-Fallen geben darf, ebenso keine Urteile über das Gegenüber, abwertende Aussagen oder gar Beleidigungen. Auch sollten alle Aussagen spezifisch sein, beispielsweise „an den Tagen (Datum 1) und (Datum 2) kam die Zuarbeit für unser Projekt X verspätet, sodass ich den jeweiligen Tagesbericht nicht mehr am selben Tage erstellen konnte“ anstelle von „Du bist immer so unzuverlässig in deiner Zuarbeit“.
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In der darauffolgenden Gesprächsphase stellen beide Mitarbeiter:innen nacheinander ihr Bild der Konfliktsituation dar. Das individuelle Bild sollte jeweils auf Fakten basieren. Falls erforderlich, so stellt die Führungskraft Verständnisfragen. Die Faktenbasierung dient der Schaffung einer Gesprächsgrundlage mit weitgehend übereinstimmenden Aussagen beider Mitarbeiter:innen zu Anlass und Kern der Konflikts. Zudem erhöht die Faktenbasierung die Wahrscheinlichkeit für einen möglichst sachlich orientierten Gesprächsverlauf.
Zwar lassen sich nicht alle Konflikte auf Sachebene beziehungsweise faktenbasiert lösen, doch sollte die Chance gegeben werden, in einem ersten Schritt eine Lösung auf Sachebene zu erreichen. Zu diesem Zweck kann die Führungskraft beide Mitarbeiter:innen anregen, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und sich in die Lage der anderen Person hinein zu versetzen, um auf diese Weise die Interessen, Motive und Werte der anderen Person besser zu verstehen.
Nach beidseitiger Darstellung der Konfliktsituation fragt die Führungskraft beide Mitarbeiter:innen nach einem Lösungsvorschlag. Im Regelfall wird hierbei die Kompromissfähigkeit der beiden Mitarbeiter:innen adressiert. Beide sollen im Sinne einer eigenverantwortlichen Lösungsfindung die Möglichkeit erhalten, konkrete Vorschläge für eine zukünftig bessere Zusammenarbeit einzubringen. Auch an dieser Stelle gilt der Grundsatz, dass Mitarbeiter:innen den eigenen Vorschlägen ein höheres Maß an Commitment entgegenbringen als gegenüber Vorgaben des Vorgesetzten. Die Umsetzung eigener Vorschläge, auch anteilig, stärkt das Vertrauen in einen belastbaren Lösungsweg und auch das Vertrauen der Konfliktbeteiligten zueinander.
Im Rahmen der Lösungsfindung sollte die Führungskraft bei Bedarf die gemeinsamen Ziele und Werte des Teams betonen. Auf diese Weise wird den Mitarbeiter:innen verdeutlicht, wie ein kollegiales Arbeitsklima und eine konstruktive Zusammenarbeit dazu beitragen können, gemeinsame Ziele zu erreichen und gemeinsame Werte aufrecht zu halten.
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Gegen Ende des Gesprächs wird zudem vereinbart, welche Maßnahmen zur Auswertung beziehungsweise Evaluierung hinsichtlich der Umsetzung der Konfliktlösungsaktivitäten getroffen werden. Dabei kann die Führungskraft bei Bedarf und Angemessenheit Unterstützung anbieten, zum Beispiel in Form eines Trainings oder eines persönlichen Coachings. Allen Beteiligten soll bewusst sein, dass das Konfliktlösungsgespräch ausschließlich einen gezielten Initialmoment für einen Prozess der Konfliktlösung darstellt. Zum Gesprächsende besteht der Konflikt im Regelfall fort. Ziel ist es jetzt, ihn durch konkretes Handeln in den folgenden Wochen oder Monaten zu reduzieren und im Idealfall aus der Welt zu schaffen.
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Fazit
Zu den erforderlichen Kompetenzen einer Führungskraft zählt auch ein konstruktiver Umgang mit Konflikten im Team. Führungskräfte aus Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen sollten sich folglich darauf vorbereiten, dass Konflikte entstehen können und diese fundierter Konfliktlösungskompetenz bedürfen.
Dahingehend sollte eine Führungskraft keineswegs bis zu einem Konflikt in ihrem Team warten, bevor sie aktiv wird. Durch aufmerksame Wahrnehmung des Arbeitsklimas in ihrem Team kann eine Führungskraft proaktiv möglichen Konflikten vorbeugen. Eine Führungskraft sollte einen „Arbeitsklima-Radar“ entwickeln und diesen als festen und kontinuierlichen Bestandteil ihrer Führungsverantwortung verstehen. Das dargestellte proaktive Arbeitsklima-Feedback ist ein praxisorientiertes Beispiel beziehungsweise ein Instrument für die Ausgestaltung eines „Arbeitsklima-Radars“.
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Grundsätzlich führt ein aktiver und konstruktiver Umgang mit Konflikten zu höherer Effektivität, Effizienz sowie Arbeitszufriedenheit im Team. In der Folge ist zudem ein besseres Arbeitsklima zu erwarten, was sich wiederum positiv auf die Bindung der Mitarbeiter:innen an ihr Team, ihre Hochschule oder ihre wissenschaftliche Einrichtung auswirkt.
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Jens Engelke ist CHE Consult Principal Consultant, Trainer & Coach, Resilienztrainer, Mediator Strategie-, Organisations-, Personal- und Führungskräfteentwicklung. Foto: Heidi Scherm