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Er ist nur der Weg der Masterurkunde – nur?

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Julia Gärtner

Governance & Management

Er ist nur der Weg der Masterurkunde – nur?

Eine aktuelle Prozessbeschreibung

Auf den ersten Blick ein kleiner, harmloser Verwaltungsprozess an einer Universität: Eine Masterurkunde wird ausgestellt und muss von zwei Personen unterschrieben werden, bevor sie dem Studierenden ausgehändigt werden kann. Was einfach und langweilig aussieht, ist möglicherweise komplexer als es scheint. Der Artikel beschäftigt sich mit der Optimierung von Verwaltungsprozessen im speziellen Arbeitssystem Universität. Dies am Beispiel eines Prozesses, der so nur in universitären Forschungseinrichtungen vorkommt. Der Prozess wird in seine Einzelteile zerlegt und die relevanten Stakeholder werden nach ihrer Meinung zu Effizienz und Akzeptanz befragt. Die Ergebnisse zeigen, auf welche Besonderheiten des Systems zu achten ist und sie beschreiben eine mögliche konstruktive Wechselwirkung zwischen den beiden kritischen Erfolgsfaktoren Effizienz und Akzeptanz.

Foto: Christian Kielmann

Viele Arbeitsprozesse in öffentlichen Verwaltungen gelten als historisch gewachsen, bürokratisch, intransparent und unnötig kompliziert. Auch haftet ihnen eine gewisse Verstaubtheit und oftmals der Makel des Analogen an. Das Zauberwort für eine moderne Verwaltung heißt daher Digitalisierung. Doch in vielen Fällen erfolgt der Wechsel in das Digitale 1:1 ohne kritische Beleuchtung des IST-Prozesses und ohne entsprechende Einbindung der Beteiligten und Betroffenen. Im Ergebnis fühlt sich der neue digitale Prozess dann nicht besser an, als der bisherige, manches Mal tun sich sogar neue Probleme oder Einschränkungen auf und Digitalisierung verkommt zum Reizwort.

Der Weg der Masterurkunde

Eine Masterarbeit im berufsbegleitenden Studiengang Wissenschaftsmanagement der TU Berlin hat dieses Thema aufgegriffen und sich mit der Optimierung von Verwaltungsprozessen an deutschen Universitäten beschäftigt. Ausgewählt wurde ein auf den ersten Blick einfacher, unkritischer und gut abgrenzbarer Prozess: Der Weg der Masterurkunde an der TU Berlin – von der Ausstellung bis zur Ausgabe an den Studierenden. Der Weg der Masterurkunde besteht darin, an die Unterschriften des verantwortlichen Dekans beziehungsweise der Dekanin und die des Vizepräsidenten beziehungsweise der Vizepräsidentin (im Folgenden als Präsidium bezeichnet) zu gelangen. Der Prozess startet in der zentralen Verwaltung, wo die Urkunde erstellt wird. Die erste Unterschrift ist die des Dekans beziehungsweise der Dekanin. Die Urkunde wird aus dem zentralen Bereich in den dezentralen, in eine der sieben Fakultäten, transportiert. Dies erfolgt auf dem Postweg und da die Dekanate sich teilweise in unterschiedlichen Gebäuden befinden, gibt es auf dem Weg mehrere Übergaben und je nach Postroute auch „Übernachtungen“ in einem Postraum. Nach der Unterschrift im Dekanat geht die Reise wieder in die zentrale Verwaltung ins Präsidium und anschließend zurück in den ausstellenden und ausgebenden Bereich.…

Ziele und Methoden

Die Arbeit möchte einen Beitrag zur erfolgreichen Optimierung von Verwaltungsprozessen an Universitäten leisten. Die Ergebnisse liefern eine Grundlage für eine mögliche Umsetzung. Aufbauend auf den Erkenntnissen einer solchen Umsetzung könnte eine Blaupause für die Optimierung von Verwaltungsprozessen an der TU Berlin entwickelt werden. Zum anderen gilt es aber auch eine Lanze für die Verwaltung zu brechen. Sie ist die stabile Komponente des Gesamtsystems. Nicht umsonst wird sie auch als Klammer bezeichnet. Sie sorgt für die benötigte Stabilität (Brönnimann 2017, 17) auch wenn ihre Sichtweise manches Mal konträr zu Wissenschaft und Forschung zu stehen scheint (Banscherus 2021, 11).

Kurz und knapp

Eine Stakeholder Analyse ermittelt alle relevanten Beteiligten und Betroffenen des Prozesses. Das Ergebnis zeigt die Personen in ihren einzelnen Positionen, die damit verbundene Macht, der Einfluss und die Haltung gegenüber der Veränderung (Stierle et al. 2017, 660). Die Stakeholder prüfen den erstellten Entwurf des IST-Prozesses auf Vollständigkeit und sind gleichzeitig Teilnehmer einer Umfrage, die mit Hilfe eines eigens erstellten Fragebogens durchgeführt wird. Die Struktur des Fragebogens nutzt den sogenannten Mixed-Methods-Ansatz bei dem sowohl quantitative, als auch qualitative Daten gesammelt werden (Kuckartz 2014, 33) und spiegelt die Hauptkomponenten der Fragestellung wider: Effizienz und Akzeptanz. Neutrale Fragen zu Beginn und am Ende rahmen eine in ihrer Reihenfolge bewusst gewählte Mischung von Effizienz- und Akzeptanzfragen ein. Auf Basis daraus abgeleiteten Erkenntnisse wird ein weiteres Vorgehen in drei Modulen vorgeschlagen.

Die wichtigsten Ergebnisse

Die identifizierten Stakeholder gehören zur zentralen (ausstellende und ausgebende Abteilung und Präsidium) und zur dezentralen Universitätsverwaltung (Dekanate). Die dritte Gruppe der Stakeholder sind die Mitarbeitenden der Postbearbeitung, zum Teil Beschäftigte der Universität, zum Teil Mitarbeitende externer Unternehmen. Die relevanten Stakeholder dieses Prozesses verfügen über sehr unterschiedliche berufliche Hintergründe.

Der IST-Prozess besteht aus 22 Prozessschritten. Davon sind 4,5 digital und der Rest analog. Es gibt drei interne Postwege.

Eine digital ausgerichtete Optimierung mit weniger Prozessschritten, mehr Transparenz und einer damit verbundenen Reduzierung von Beschädigung beziehungsweise Verlust der Urkunden erscheint sinnvoll.

Die Versendung des Fragebogens erfolgt an die oben beschriebenen Stakeholder (n=55). Bereits hier fällt auf, dass der Prozess mehrheitlich von Frauen bearbeitet und gestaltet wird, das bestätigt sich auch beim Rücklauf (n=41).

Eine der ersten Fragen lautet: Ist Ihnen der Gesamtprozess bekannt? Das Ergebnis zeigt, dass nur 50 Prozent der Befragten den Gesamtprozess kennen und die Hälfte der Teilnehmenden die darauffolgenden Fragen somit nur mit Halbwissen beantwortet.

Die Rückmeldungen der Stakeholder sprechen für die Wichtigkeit des Layouts. Eine große Mehrheit wünscht sich eine analoge und digitale Ausführung. Ob aus dem Gedanken, dass es einfach schöner ist, ein gesigeltes Stück Papier in Händen zu halten oder ob das Vertrauen in die Technik nicht gegeben ist, kann nicht geklärt werden. Es könnte aber eben auch ein Indiz gegen eine mögliche Digitalisierung des Gesamtprozesses sein.

Was nun?

Die Masterarbeit gliedert das weitere Vorgehen in drei Module. Das erste Modul nutzt die Ergebnisse aus den Akzeptanzfragen als Einstieg in den Veränderungsprozess. Der Wunsch der Stakeholder zu Format und Layout kann als erste Zustimmung für eine Änderung des Prozesses gewertet werden und wird daher im weiteren Vorgehen als „Türöffner“ bezeichnet. Im zweiten Modul werden Ergebnisse aus dem Fragebogen aufgegriffen, in denen die Stakeholder Vorschläge zur Effizienzsteigerung des Prozesses machen. Modul drei setzt auf den Ergebnissen der beiden Module auf und nutzt deren Erkenntnisse, um sich der eigentlichen Aufgabe zu widmen: Der Erstellung des SOLL-Prozesses. In einer geplanten Workshop-Trilogie Fabrica Medica®, kombiniert mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM), soll unter Einbindung aller relevanter Stakeholder der Vorschlag für den SOLL-Prozess erarbeitet werden. Bei der Gestaltung des SOLL-Prozesses spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle, sodass je nach Teilaspekt Experten aus IT und Datenschutz hinzugezogen werden. Ziel ist eine akzeptierte Vorlage eines umsetzbaren SOLL-Prozesses inklusive zeitlicher Planung.

Fazit

Die vorgestellte Arbeit zeigt die Komplexität eines auf den ersten Blick kleinen und einfachen Verwaltungsprozesses an der TU Berlin. Wer sind die Hauptakteure des Prozesses? Kennen alle Beteiligten den Gesamtprozess? Wird der Prozess mehrheitlich von weiblichen Personen gestaltet und kann davon ausgegangen werden, dass dies in naher Zukunft so bleibt, so macht es vielleicht Sinn, sich bei der Optimierung über entsprechende Kommunikationsstile Gedanken zu machen. Neben kritischen Erfolgsfaktoren der Effizienz wie zum Beispiel weniger Prozessschritte, mehr Transparenz, kürzere Laufzeiten, ist es wichtig zumindest einen kritischen Erfolgsfaktor der Akzeptanz zu identifizieren, der als „Türöffner“ dienen kann. Gut‘ Ding braucht Weile: Verwaltungsabläufe und -prozesse kontinuierlich zu hinterfragen und an die aktuellen Bedarfe aus Forschung und Lehre anzupassen ist wichtig und nötig. Dennoch braucht es für System und Mitarbeitende genügend Zeit, um den neuen Prozess in das System zu implementieren und im Tagesgeschäft zu etablieren.

Würde man Verwaltung und Wissenschaft mit je einem Wort charakterisieren, so wäre die Verwaltung vermutlich die Stabile, die Wissenschaft die Flexible. In der Wissenschaft geht es darum mit Hilfe von neuen Methoden, Modellen und Laboren neues Wissen zu generieren. Die Verwaltung kümmert sich um die strukturellen Rahmenbedingungen. Beide Systeme sind trotz ihrer unterschiedlichen Sichtweisen gleichwertige Säulen des Gesamtsystems mit einem gemeinsamen Ziel: Die eigene Universität voranzubringen. Warum also nicht das Know-how beider Expertensysteme miteinander verknüpfen und für die Optimierung der hauseigenen Verwaltungsprozesse nutzen?

 

  • Der komplette Artikel ist im ► Onlineshop von Lemmens Medien erhältlich. Den Abonnenten der Zeitschrift Wissenschaftsmanagement steht der gesamte Beitrag in ihren Accounts zum kostenlosen Download zur Verfügung.

 

Julia Gärtner ist Büroleiterin des Präsidialamts sowie stellvertretende Leiterin des Büros der Präsidentin der Technischen Universität Berlin.

Foto: Christian Kielmann