Aber bitte auf Dauer
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Personalentwicklung
Aber bitte auf Dauer

Nicht erst seit der Initiative #ichbinhanna ist der große Anteil an befristetem Personal als ein Problem des deutschen Wissenschaftssystems erkannt worden. Bereits seit Jahren diskutieren Wissenschaftsorganisationen und -verbände darüber, wie eine Personalstruktur aussehen kann, die sowohl promovierten Wissenschaftler:innen Karriereplanung ermöglicht und langfristige Perspektiven eröffnet als auch Qualität in Forschung und Lehre absichert (GEW 2017; HRK 2014; WR 2014). Und auch in der Politik ist diese Frage angekommen, wie aktuell die Reformbemühungen um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zeigen. Sie sind Teil einer politischen Agenda, die schon länger die Reform des akademischen Karrieresystems anstrebt. Beispielhaft hierfür ist das von Bund und Ländern gemeinsam aufgelegte Tenure-Track-Programm, dessen Ziel es war, das Modell einer zunächst befristeten, aber mit der Möglichkeit auf Entfristung gekoppelten Professur als transparenten und planbaren Karriereweg zu etablieren (BMBF 2016).
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Zusammenhang von Qualifizierung und Befristung
Die Personalstruktur an deutschen Universitäten ist zweigeteilt: Auf der einen Seite gibt es die in der Regel unbefristet beschäftigten Professor:innen, auf der anderen Seite die in der Regel befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen. 2022 standen an den staatlichen Universitäten 25.924 Professor:innen 192.280 wissenschaftliche Mitarbeiter:innen gegenüber (Statistisches Bundesamt 2023). Die wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen sind die seit Jahren mit Abstand am stärksten und schnellsten wachsende Gruppe (Bloch et al. 2021). Die Personalkategorie des wissenschaftlichen Mitarbeiters ist jedoch unterdefiniert. Es gibt kein klares und eindeutiges Aufgabenprofil für solche Stellen, sie lavieren zwischen der eigenen akademischen Weiterqualifizierung und der Erfüllung von universitären Kernaufgaben in Forschung, Lehre und Verwaltung. Es ist vermutlich ihre inhaltliche wie formale Flexibilität, die diese Personalkategorie erfolgreich und attraktiv gemacht hat.
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Personalentwicklung für wen und zu welchem Zweck?
Strategische Personalentwicklung zielt darauf, dass Personal als Ressource für das Erreichen der Organisationsziele einzusetzen (Pellert/Widmann 2008). Gerade an den Universitäten als Professionsorganisationen (Mintzberg 1989) kommt dem Personal eine zentrale Bedeutung für die Leistungserbringung zu. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Entkopplung von Qualifizierung und Beschäftigung betreiben die Universitäten jedoch Personalentwicklung für ein Personal, das nicht auf Dauer in der Organisation verbleiben wird. Wie gehen sie mit diesem „Personalentwicklungsparadox“ (Bloch/Krüger 2023) um?
Als paradox erscheint dies vor allem vor dem Hintergrund, dass Personalentwicklung ursprünglich ein Konzept aus dem Human-Resource-Management von Unternehmen ist (McLagan 1989). Dabei geht es darum, die Fähigkeiten des Personals im Sinne der Organisationsziele zu fördern und so die Interessen der Organisation und der Beschäftigten zusammenzubringen. In unserer Untersuchung der Personalentwicklungskonzepte von 43 Universitäten, die im Tenure-Track-Programm erfolgreich waren, lag unser analytischer Fokus dementsprechend auf dem Organisationsinteresse hinter der Personalentwicklung. Welches organisationale Selbstverständnis zeigt sich in den Personalentwicklungskonzepten und welche Art von Beziehung zum Personal geht daraus hervor?
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Fazit
Im Rahmen des vierten Narrativs ließ sich in einigen Personalentwicklungskonzepten auch erkennen, dass es bereits erste, wenn auch in der konkreten Ausgestaltung unterschiedliche Überlegungen zu einer Reform der universitären Personalstruktur gibt. Solche Überlegungen beinhalten Vorstellungen von dauerhaft anfallenden Aufgaben, ihrer Erfüllung durch dauerhaft beschäftigtes Personal sowie von Karrierewegen, die auf solche Stellen hinführen. Bislang gibt es zu einer solchen Personalstrukturentwicklung jedoch noch keinen konzertierten politischen Prozess, der solche Aktivitäten in der Breite des Hochschul- und Wissenschaftssystems befördern würde. Zwar setzt beispielsweise der Zukunftsvertrag Studium und Lehre Anreize zur Entfristung von wissenschaftlichem Personal jenseits der Professur. Eine nachhaltige Erhöhung von Dauerstellen lässt sich aber bislang nicht feststellen (Bloch et al. 2023). Dem scheint weiterhin das Selbstverständnis der Universitäten als Qualifizierungsinstanz entgegenzustehen. Allerdings lassen sich aktuell zunehmend Initiativen an einzelnen Universitäten beobachten, Konzepte für Dauerstellen beziehungsweise Dauerbeschäftigung zu entwickeln und umzusetzen.
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Diese ersten vorläufigen Ergebnisse machen deutlich, dass Personalentwicklung an Universitäten auch ein erster Schritt hin zu einer nachhaltigen und strategischen Personalstrukturentwicklung sein kann. Denn Universitäten entwickeln dadurch nicht nur langfristig planbare Karrierewege im Interesse ihres Personals, sondern bedienen auch das eigene Organisationsinteresse an der Erfüllung der kontinuierlich anfallenden Aufgaben in Forschung, Lehre und Verwaltung. Personalentwicklung wird damit zur Organisationsentwicklung. Dies zeigt: Wer Personalentwicklung nicht nur für Dritte, sondern auch für die eigene Organisation betreiben will, braucht eine aufgabenadäquate Personalstruktur, die notwendigerweise auch dauerhaft beschäftigtes Personal jenseits der Professur umfasst.
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Dr. Roland Bloch ist Hochschul- und Wissenschaftsforscher sowie Projektleiter am Zentrum für Schul- und Bildungsforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Dr. Anne K. Krüger ist Soziologin mit Schwerpunkten in der Organisationssoziologie und der Wissenschafts- und Technikforschung. Aktuell leitet sie die Forschungsgruppe „Reorganisation von Wissenspraktiken“ am Weizenbaum-Institut Berlin.



















