Von wem lernen wir?
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Diversität
Von wem lernen wir?

An der Macromedia Hochschule Berlin beschäftigt sich im Wintersemester 2022/23 aktuell eine Gruppe internationaler Master-Studierender mit der Frage, inwiefern strukturelle Barrieren dafür verantwortlich sind, dass viele aktuelle internationale Forschungsergebnisse und innovative Denkansätze zwar teilweise in entsprechenden Journals publiziert werden, es aber schwer haben, den Weg in Seminarlektüren und in eine aktive Diskussion zu schaffen. Im Fokus stehen dabei Studienfächer der Managementlehre, des Medienmanagements, Kulturmanagements, Marketings und der Medientheorie. Grundannahme ist dabei, dass auf der Ebene der Rezeption immer noch starke hegemoniale Tendenzen vor allem in den Sozialwissenschaften vorherrschen, einem westlichen Kanon zu folgen. Dieser Kanon wird überwiegend von männlichen, weißen Autoren bestimmt und ist geografisch im mitteleuropäischen und angelsächsischen Raum zu verorten.
Dazu kommt, dass Englisch als zentrale akademische Kommunikationssprache kein neutrales Medium ist, sondern eben schon eine Geschichte innerhalb kolonialistischer und hegemonialer Diskurse mit sich führt. Daher sind Fragen der Übersetzung, der Bestätigung und kritischen Begleitung von Übersetzungen aus kleineren Sprachen ebenso zu berücksichtigen wie die Formationen der Auswahl, Präsenz und Nutzung an deutschen Hochschulen in den entsprechenden Studiengängen auf einer strukturellen Ebene.
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Strukturelle Herausforderungen
Blickt man auf die Publikationen zu „Diversität an Hochschulen“ der letzten Jahre (vergleiche exemplarisch Aichinger et al. 2020; Feuser et al. 2019) zeigt sich, dass das Thema fehlender Diversität innerhalb der an Hochschulen verwendeten Materialien zwar erwähnt wird, aber nicht im Zentrum der Diskussion steht. Allein innerhalb Europas zeigt sich, dass Forschungsarbeiten aus dem osteuropäischen Raum tendenziell weniger präsent sind als aus westeuropäischen Kontexten. Blickt man auf außereuropäische Forschungslandschaften wird das Problem noch deutlicher.
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Globale Mitbestimmung
Entscheidend für die Beseitigung bestehender Barrieren ist das Argument der „Globalen Mitbestimmung“. Häufig wird als Gegenargument zu einer fehlenden Lektürediversität die jeweilige Fachgeschichte angeführt beziehungsweise werden die kulturellen und bildungspolitischen Unterschiede genannt, welche die Nutzung erschwerten. Diese Argumente sind dann stichhaltig, wenn man Fragestellungen dezidiert national eingrenzt. Ein vertiefendes Verständnis für zeitgenössische Medienrezeption, künstlerisches und kulturmanageriales Handeln, transkulturelles Marketing oder digitale Medientheorie lässt sich aber nur schwer national limitieren, da die behandelten Themenfelder in sich selbst transnational strukturiert sind. In dem Kontext lohnt es sich, andere Stimmen, Perspektiven und Forschungsansätze hinzuzufügen. Globale Mitbestimmung wird hier unmittelbar sinnfällig.
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Fazit
Entscheidend ist ein Perspektivenwechsel, kein starres Umsetzen von Diversitätskonzepten. Studiengänge können und müssen sich spezifisch fragen, inwiefern sie proaktiv ihre Lektüreempfehlungen und Seminartexte ergänzen wollen um sinnvolle Publikationen aus marginalisierten Kontexten, welche den Erkenntnisgewinn der jeweiligen Lerninhalte bereichern und dazu beitragen, dass „Globale Mitbestimmung“ ein wichtiges Element von Lern- und Lehrerfahrungen wird.
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Prof. Dr. Gernot Wolfram ist Professor für Medien- und Kulturmanagement an der Macromedia Hochschule Berlin.
Foto: Macromedia/causalux