Management des systemischen Überlebens
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CASE (Auszug): Neue Ökonomie
Management des systemischen Überlebens

Mit der systemdynamischen Ökonomie-Methode im Fokus ist zu analysieren, wie
- erstens ein zukünftiges Wissenschaftsmanagement in ökonomischer Bildung aussehen könnte, im Vergleich zum vorhandenen und
- zweitens, wie zukunftsorientiertes unternehmerisches Management (in privaten und öffentlichen Organisationen) zur Stärkung eines systemischen Überlebens praktiziert werden kann.
Zum Vergleich hierzu betrachtet der Beitrag die Mechanismen des dominierenden Managements im neoliberalen kapitalistischen Umfeld.
Case: Einleitung
Wir leben unstreitig in einer vernetzten Umwelt. Unsere Lebensgrundlage ist die evolutionäre Natur von denen wir ein Teil sind. Die biodiversitätsreiche Natur managt ihr Überleben seit über vier Milliarden Jahren – trotz kleiner und gewaltiger Krisen – par excellence. Wir Menschen praktizieren seit circa 200.000 Jahren unsere eigene Überlebensstrategie mehr oder weniger erfolgreich. Das Management beider Entwicklungsstrategien kann unterschiedlicher nicht sein. Die hochkomplexe Natur entwickelt sich durch ein ausgeklügeltes adaptives Management vernetzter Systeme nachhaltig und fehlertolerant. Dagegen vollziehen wir unseren Fortschritt weitgehend mit Mitteln linearer, auf kurzfristige Erfolge zielende Management-Prozesse – zudem unter enormer Belastung natürlicher begrenzter Ressourcen –, fehleranhäufend risikoreich. Universeller Treiber unserer Fortschrittsstrategie ist eine fehlgeleitete ökonomische Krisenverwaltung. Zwar versuchen wir oft „zukunftssicher“ zu planen und zu handeln. Doch die Zukunft ist ungewiss. Das ist unser Management-Dilemma. Es stellen sich daher zwei grundlegende Fragen:
- Erstens: Wie können wir uns auf die weltweite vernetzte Dynamik von Prozessen mit einem „Management des systemischen Überlebens“ einstellen?
- Zweitens: Welche strategischen und operativen Entwicklungswerkzeuge sind erforderlich, um unsere Lebens- und Arbeitsbereiche weitgehend fehlertolerant und nachhaltig zu gestalten?
Ein „Management des systemischen Überlebens“ (jenseits fehlgeleiteter ökonomischer Krisenverwaltung), wie es der Titel des Beitrages verspricht, erfordert nichts weniger, als die Bereitschaft, anerzogene und verstärkte Bahnen des kurzsichtigen kausalen Wenn-Dann-Denkens und -Handelns zu verlassen. Der Schlüssel für nachhaltige fehlertolerante und resiliente Problemlösungen in unserer komplexen und dynamischen Umwelt ist das weitsichtige Denken in Zusammenhängen. Es stärkt die eigene Fähigkeit, reale Situationen mit vernetztem Blick zu erfassen und problemvermeidend zu lösen. Der Schlüssel dazu liegt in einem vernetzten adaptiven Vorgehen.
Die wissenschaftliche Methode der Systemdynamik ist ein – wenn nicht sogar der – entscheidende Anstoß für das Erlernen eines vorausschauenden vernetzten Denkens in Zusammenhängen. Untrennbar damit verbunden ist auch eine selbstreflektierende Eigenschaft, verbunden mit emphatischen Verhalten. Oder wann haben Sie zuletzt jeden Brief, jede E-Mail oder jede Voice-Mail in angemessener Zeit beantwortet, was nicht zuletzt eine Frage der Umgangsformen ist? (siehe Hacke 2017, 100).
Case: Beschreibung
Die Systemdynamik ist das Fundament für ein Management des systemischen Überlebens. „Die Menschen sind nicht Gefangene des Schicksals, sondern nur ihres Denkens.“ Davon war Franklin D. Roosevelt, 32. US-Präsident (1882–1945), überzeugt. Und das erst gut 20 Jahre alte 3. Jahrtausend ist durch eine Anhäufung von transformativen Unsicherheiten beziehungsweise Übergangs-Wahrscheinlichkeiten in unserem Lebens- und Arbeitsumfeld geprägt. Wir werden beschleunigt mit bislang nie dagewesenen neuen Techniken wie der Digitalisierung konfrontiert, die unsere bisherigen Erfahrungswerte, ob in der Bildung (Alnajjar/Bartneck/Baxter et al. 2021), bei der Arbeit (Botthof/Hartmann 2015), im Haushalt oder in unserer Freizeit (Andelfinger/Hänisch 2016), siehe auch Zweig/Krafft Klingel et al. (2021), „auf den Kopf stellen“.
Lenken wir unseren Blick auf die Gegenwart, die – so die These – fest in den Händen gesteuerter, neoliberaler ökonomischer Managementstrategien liegt. Zeigen wir mit dem Finger auf selbstverschuldete Krisen, die durch fehlgeleitete Ziele verursacht wurden und werden uns zunehmend an den Rand unserer strategischen und operativen Möglichkeiten der Problembehebung – insbesondere der vorausschauenden Problemvorsorge – bringen.
Deutlicher als die SARS-CoV-2-Pandemie1 kann es dem weltweiten Management in Industrie und politischer öffentlicher Verwaltung nicht vor Augen geführt werden: Die dominante Fokussierung auf konfliktreiche, ökonomische finanzpolitische Ziele führte und führt in einen Teufelskreis2 hoher gesellschaftlicher Verwundbarkeit!
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Case: Fazit
Die komplexen, überaus dynamischen Prozesse in unserer Gesellschaft, in der Natur und in der Umwelt, die wir hautnah erfahren und deren katastrophale Auswirkungen unser Leben und Arbeiten vollkommen durcheinander zu bringen scheinen, erfordern – ohne den geringsten Vorbehalt – eine neue Art des Denkens und des Handelns. Entscheidungsträger in der Politik haben seit Jahrzehnten ihre mentalen Modelle dazu genutzt, viele ihrer Handlungsprozesse zu einseitig kurzsichtig und umweltzerstörend durchzuführen. Die vielfältigen – wenig schmeichelhaften – Ergebnisse und Folgen dieser Vorgehensweise sind bekannt.
Eine neue Politik achtsamen Handelns, die systemisch vorausschauend Probleme in unserer Gesellschaft frühzeitig erkennt, folgenvorbeugend löst und neue Aufgaben angepasst weiterentwickelt, benötigt ein Korrektiv politischer Entscheidungen“ mit zirkulärer Qualitätsprüfung in der Politik. Negative, systemstabilisierende Rückkopplungsprozesse sind der fehlertolerante Kern eines technischen Regelungsprozesses. Das System ist genauso gut anwendbar und wirksam für politische, fehlertolerante und problemvorbeugende Entscheidungsprozesse!
Diese neue Politik in komplexer dynamischer Umwelt ist geprägt durch:
- die „Systemdynamik“, die weitsichtige Basis aller politischen Planungen, Entwicklungen und praktischen Handlungen;
- den Nutzen von mentalen Modellen, die in „Wirkungsnetzen“ denken und danach handeln. Lösungen von komplexen Problemen der Politik durch lineares Kausaldenken und -handeln sind kurzsichtig fehlgeleitet und führen in eine Sackgasse;
- „Handlungsmuster“ beziehungsweise „Archetypen“, die – sofern sie befolgt werden – fehlertolerante Lösungen realitätsnah wiedergeben;
- alternative „Managementstrategien und Organisationen kybernetischen Zuschnitts“, aus denen werthaltige fortschrittsstarke Prozesse und Entwicklungen resultieren;
- eine „Politik hoher Achtsamkeit“, die ein systemisches Überlebensprogramm für die Bürger und die Gesellschaft entwirft und anwendet;
- ein „Korrektiv politischer Entscheidungen“, bestehend aus Politikern, Bürgern und wissenschaftlichen Experten, die durch eine vernetzte
- „zirkuläre Qualitätsprüfung“ getroffene Entscheidungen prüfen, Fehlentscheidungen verwerfen, Fortschritte prüfen und Ergebnisse qualitativ und quantitativ rechtssicher beurteilen.
Diese postulierte Politik neuen Zuschnitts wirbt für eine Zukunft, in der die Ganzheitlichkeit eines Handelns ebenso in den Mittelpunkt des Geschehens gestellt wird, wie die detailreiche Analyse. Wir kommen nicht darum herum, den „Wald vor lauter Bäumen zu sehen“ oder unsere Gesellschaft vorzugsweise als Ganzheit zu sehen, statt der Bevorzugung einzelner Teile der Gesellschaft. Nur auf diese Weise lernen wir die Realität so zu erkennen und zu behandeln, dass ein systemischer Fortschritt tolerant, robust und nachhaltig gestaltet werden kann. Im Sinne einer Politik neuen Zuschnitts und der Stärkung eines systemischen Überlebens, über das wir in diesem Beitrag nachgedacht haben, sollten wir der Weisheit eines Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) folgen: „Man sollte nie so viel zu tun haben, dass man zum Nachdenken keine Zeit mehr hat.“
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Dr.-Ing. E. W. Udo Küppers ist Ingenieurwissenschaftler, Systemiker und Bioniker. Er lehrte an Hochschulen und Universitäten Systemdynamik, interdiziplinäre Kompetenz und Praxis von Wirkungsnetzanalysen.