Es stehen massive Veränderungen an
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Transformation
Es stehen massive Veränderungen an
Umfragen wie der Deutschland-Trend zeigen, dass 33 Prozent der Deutschen das Tempo der Veränderungen beim Klimaschutz als zu schnell und 36 Prozent als zu langsam empfinden (Statista 2023). Selbst ohne diese konkreten Zahlen im Detail zu kennen, genügt ein Blick in Medien und Politik, um eine starke Polarisierung und Eskalation der Diskussion – beispielsweise zum Stichwort Heizungsgesetz – zu sehen. Blickt man vor diesem Hintergrund auf die aktuelle gesellschaftspolitische Lage, wird eine doppelte Polarisierung in der gesellschaftlichen Debatte um die Klimatransformation deutlich: eine inhaltliche und eine prozessuale.
Polarisierung mit Blick auf inhaltliche Transformationsagenda
Diese Polarisierung ist wenig verwunderlich, da an vielen Stellen gewaltige Veränderungen anstehen, die zwangsläufig zu intensiven Diskussionen führen und natürlich Fragen und Unsicherheiten aufwerfen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Angst vor Veränderung oder Verlust oft stärker empfunden wird als die tatsächlichen Veränderungen selbst. Kennzeichnend für die bevorstehenden Veränderungen, sei es in der Mobilität, der Wärmeversorgung, bei den Energiekosten oder in der Ernährungsweise, ist, dass sie spürbar in die unmittelbare Lebenswirklichkeit der Menschen eingreifen. Es geht nicht um abstrakte Veränderungen, die man irgendwann sehen oder „der Staat“ mit einem „Trippel-Wumms“ übernehmen wird. Vielmehr geht es darum, ob ich morgen noch mit dem Auto zur Oma aufs Land fahren kann, ob meine Heizkosten bezahlbar bleiben oder ob ich Freund:innen und Kolleg:innen noch zum Grillen einladen „darf“. Klar wird: Es geht ans Eingemachte. Die Veränderung kommt in die Wohnzimmer von uns allen. Es verändert unseren Alltag. Zudem werden die anstehenden Veränderungen nicht nur Gewinner:innen hervorbringen, sondern auch Gewohntes dauerhaft verändern – es wird Verlierer:innen geben.
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Polarisierung mit Blick auf System und Prozesse
Zahlreiche Umfragen der letzten Monate zeigen ein klares Bild: Es herrscht eine ausgeprägte Unzufriedenheit und Distanz gegenüber dem gegenwärtigen demokratischen System: Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist derzeit unzufrieden, wie die Demokratie in Deutschland besteht. Zudem nehmen viele wahr, dass sich der Zustand der Demokratie in den letzten Jahren verschlechtert hat (Best et al. 2023). Gleichzeitig sinkt die Kompetenzzuschreibung erkennbar: Das Vertrauen in unser politisches System, die anstehenden Herausforderungen bewältigen zu können, schwindet merklich. Eine klare Mehrheit (69 Prozent) vertritt die Ansicht, dass der Staat angesichts der Vielzahl seiner Aufgaben und Probleme überfordert sei. 2020 teilten nur 40 Prozent der Befragten diese Auffassung (forsa 2023).
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Demokratie in der Krise
Skandalisierung anstatt ernsthafter Debatten in Medien: Medien lieben Konflikte, Krisen und Skandale werden befeuert. Daher neigen politische Akteure dazu, polarisierende Positionen zu liefern, um Präsenz in den Medien zu erlangen. Besonders auf den sozialen Medien werden Meinungskonflikte immer rücksichtloser ausgetragen (Best et al. 2023). Aus der Perspektive von Bürger:innen mag es dadurch den Anschein haben, dass alle wesentlichen Transformationsfragen strittig sind. Zudem sehen sich Bürger:innen mit einer nicht mehr überschaubaren Komplexität an Streitfragen konfrontiert. Gemeinsame, belastbare Lösungen zeichnen sich dagegen kaum ab.
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Individualisierung der Gesellschaft: Wachsende Freiheit und die wirtschaftliche Entwicklung führen in den westlichen Gesellschaften zu mehr und mehr Möglichkeiten der freien Entfaltung und individuellen Entwicklung. Die digitale Transformation und die Entstehung der Sozialen Medien bestärken diese Individualisierung und Herausbildung immer spezifischerer Identitäten. Wie so Vieles hat die Entwicklung zwei Seiten: Die wachsenden Möglichkeiten individueller Entfaltung entsprechen dem westlichen Ideal des Humanismus. Aber: In einer immer stärker individualisierten Gesellschaft rücken persönliche Bedürfnisse, Werte und Meinungen in den Vordergrund. Menschen suchen vermehrt nach individuellen Lebensentwürfen und identifizieren sich weniger stark mit gemeinsamen, kollektiven Zielen. Das Streben nach persönlichem Wohlstand und individuellem Glück steht im Fokus, während das Gemeinwohl – meist unbewusst – in den Hintergrund gerät.
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Homogene Netzwerke und Echokammern behindern Meinungsaustausch: Die Individualisierung begünstigt das Entstehen von Filterblasen und Echokammern und wird gleichermaßen durch sie befeuert: Bürger:innen ziehen sich sukzessive in isolierte „Räume“ beziehungsweise „Echokammern“ zurück, die ihre eigene Weltsicht bestätigen, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen – sowohl online als auch in der realen Lebenswelt. Im Netz tummelt man durch personalisierte Algorithmen in seiner eigenen „Bubble“. Auch im Privatleben neigen die Menschen dazu, sich mit Gleichgesinnten und nicht Andersdenkenden zu umgeben – besonders hinsichtlich politischer Einstellung.
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Ansehen von Institutionen schwindet: Das Auseinanderfallen der Gesellschaft in verschiedene Echokammern wird verstärkt und gefestigt durch die parallel stattfindende abnehmende Reputation von übergreifenden gesellschaftlichen Institutionen wie Kirchen, Verbänden, Parlamenten oder Parteien (EKD 2023). Auch haben zivilgesellschaftliche Organisationen immer mehr Schwierigkeiten ehrenamtliche Mitstreiter:innen zu binden (Schubert/Tahmaz/Krimmer 2023). Früher hatte die Bevölkerung ein Grundvertrauen in diese Institutionen. Sie galten als Orte, denen man Kompetenz und Legitimität zuschreibt, um gute Lösungen für bedeutende gesellschaftliche Fragen zu finden. Diese Zuschreibung an Lösungsfindungskompetenz findet heute nicht mehr in gleichem Maße statt.
Der „politische Kompromiss“ ist aus der Zeit gefallen: Angesichts der beschriebenen Lage verliert die Öffentlichkeit zusehends die Hoffnung und den Glauben daran, dass zwischen den verantwortlichen Akteuren – trotz der Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten – ein erkennbarer Weg der Lösungsfindung existiert. Erhofft werden Lösungen, die tatsächlich eine Antwort auf die wahrgenommenen Probleme geben. Stattdessen aber gibt es „politische“ Kompromisse. Entsprechend wird Politik als die Kunst des Kompromisses dargestellt und legitimiert.
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Case: Ergebnisse
Was also tun, um in einer starken Demokratie einen stabilen Weg in Richtung Klimaneutralität zu gehen? Es braucht Räume der Begegnung und Debatte, Beteiligung der Bürgerschaft, transparente Politikgestaltung sowie klare Kommunikation.
- Debatten- und Resonanzräume für Dialog und gemeinsames Gestalten …
- Selbstwirksamkeit und lebendige Kultur durch Einbindung der Bevölkerung …
- Vertrauen in die Entscheidungs- und Lösungskompetenz der politischen Führung stärken …
- Bürgerbeteiligung und Bürgerdialoge, um komplexe und konfliktäre Transformationen zu gestalten …
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Beispiele kluger Politik
Fünf Beispiele sollen aufzeigen, dass die bisherigen Überlegungen nicht nur schöne Theorie aus der Akademie sind, sondern seit vielen Jahren gängige Praxis kluger Politik in unterschiedlichsten Bereichen sind. Viel spricht dafür, dass die Ansätze in Zukunft deutlich häufiger Anwendung finden werden, da sie helfen Transformationen wesentlich umsichtiger und effektiver umzusetzen.
- Beschleunigungskommission Schiene der Bundesregierung …
- Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ des Deutschen Bundestages: Ein beratender deliberativer Prozess zur Entscheidungsvorbereitung im parlamentarischen Raum …
- Plattform Industrie 4.0: Konzertierter Stakeholderprozess zwischen Politik und Wirtschaft prägt weltweit Narrativ und Lösungen zu digitaler Transformation in der Produktion …
- Initiative RadKULTUR: Mit emotional positivem Zukunftsbild zur Veränderung mobilisieren …
- Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar …
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Case: Fazit
Dialogorientierte Politik sorgt für Sachorientierung, Rationalisierung und Deeskalation von Debatten. Die Polarisierung nimmt ab, weil unter den Beteiligten ein besseres Verständnis für die Positionen und Anliegen der Anderen wächst. Auch Personen, die nicht direkt beteiligt sind, können sich in der öffentlichen, transparenten Abwägung von Argumenten und ausgewogenen Entscheidung selbst wiederfinden. Damit ist der Boden bereitet für politisches und strategisches Handeln. Demokratie lebt von Vertrauen. Wenn die politischen Eliten glaubwürdig und lösungsorientiert arbeiten und die Menschen im Land dabei besser einbinden, dann gelingt ein kluger und umsichtiger Weg zur Klimaneutralität.
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Henning Banthien gehört seit 1996 zum ifok-Team und leitet seit 1999 das Berliner Büro von ifok. Er ist seit 2009 Geschäftsführer und seit 2017 zudem Senior Vice President der Muttergesellschaft Cadmus Group.
Jacob Birkenhäger ist Geschäftsfeldleiter für Deliberation, Open Government und Demokratie. Als Projektleiter im ifok-Team verantwortete er EU-, bundes- und landesweite Dialogprozesse.
Unter Mitarbeit von Daniela Steidle.