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Outputorientierung in der Wissenschaft

news

Alexander Lenger

Governance & Management

Outputorientierung in der Wissenschaft

Nicht intendierte Folgen der Governance- und Managemententwicklung im akademischen Feld

Das Hochschulwesen unterliegt seit einigen Jahren einem fundamentalen Transformationsprozess in Richtung einer zunehmenden Governance- und Managemententwicklung. Die Rede ist von einer „Ökonomisierung der Wissenschaft“ (Weingart 2008), die einen sogenannten „Akademischen Kapitalismus“ (Münch 2011) hat entstehen lassen. Mit diesen Begriffen wird suggeriert, dass die ökonomische Funktionslogik im Sinne eines Kosten/Nutzen-Kalküls und rationaler Entscheidungsfindung zunehmend im Bereich der Wissenschaft Einzug hält und dass sich ein „kapitalistischer Geist“ (Boltanski/Chiapello 2006) in der Wissenschaft nicht zuletzt aufgrund einer steigenden Ressourcenknappheit und Ressourcenabhängigkeit der Wissenschaft von der Wirtschaft manifestiert. Diese Entwicklung wird von den beteiligten Wissenschaftler:innen zunehmend in ihren wissenschaftlichen Ethos und ihre Karriereüberlegungen integriert und in der Folge als legitime Ordnung anerkannt. Insofern richtet sich der Blick in besonderer Weise auf die Ökonomisierung der Hochschulen sowie die entsprechenden Folgen für die beteiligten Nachwuchswissenschaftler:innen und Professor:innen.

Foto: privat

Ziel des vorliegenden Beitrages ist es aufzuzeigen, dass die gegenwärtigen Governance- und Managemententwicklungen in der Wissenschaft (nicht intendierte) Auswirkungen auf die in der Wissenschaft beschäftigen Forscher:innen und in der Folge auf die Wissensproduktion haben. Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen und Universitäten – so die zentrale These – stellen prototypische Beispiele für einen „Neuen Geist des Kapitalismus“ dar, welcher sich im Kern durch eine Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche, eine signifikante Zunahme von Netzwerk- und Projektstrukturen sowie die Subjektivierung und Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen auszeichnet (Boltanski/Chiapello 2006).

Der Beitrag bietet einen kursorisch Überblick und basiert in weiten Teilen auf einem früheren Aufsatz (Lenger 2015) und eigenen empirischen Analysen zum Thema (Lenger 2015, 2019; Lenger et al. 2016). Der Beitrag gliedert sich wie folgt: Zunächst werden die Struktur und die traditionellen Reputationssysteme des akademischen Feldes besprochen und die Vorstellung von „Wissenschaft als Lebensform“ diskutiert. Daran anschließend werden die relevanten Veränderungen im akademischen Feld skizziert. Die Hochschulen und damit auch die Arbeitsverhältnisse im wissenschaftlichen Teilsystem unterliegen aus soziologischer Perspektive einem Umstrukturierungsprozess, der zu einer Prekarisierung, Flexibilisierung und Ökonomisierung auch von wissenschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen führt. Der Beitrag schließt mit einigen grundlegenden Überlegungen zu den zentralen Befunden meines Forschungsprojektes zur Transformation des Habitus bei Professor:innen und der impliziten Regeln im akademischen Feld.

Die Illusio des akademischen Feldes: Wissenschaft als Berufung und Lebensform
Bereits 1919 hat Max Weber auf die Risiken einer ausbleibenden Berufung auf eine Professur hingewiesen und die wissenschaftliche Karriere als akademischen „Hasard“ bezeichnet (Weber 1988, 585, 588, 590). Diese Beschreibung hat bis heute Gültigkeit (vergleiche Reuter et al. 2016), weil noch immer einer Vielzahl von Mitarbeiterstellen mit prekären Zeitverträgen eine relativ kleine Menge entfristeter Professur gegenübersteht (BuWin 2021, 99). Webers Schlussfolgerung lautete, dass sich einem solch riskanten Unterfangen nur aussetzt, wer sich zur Wissenschaft berufen fühlt (Weber 1988, 593). Er geht zudem davon aus, dass Wissenschaftler:innen sich durch einen fächerübergreifenden Forschungsethos auszeichnen. Robert K. Merton (1985) hat diesen Forschungsethos später im Detail beschrieben. So soll der wissenschaftliche Forschungsprozess beispielsweise frei von ökonomischen Imperativen sein. Niemand ist berechtigt, Ideen und Entdeckungen der wissenschaftlichen Gemeinschaft vorzuenthalten, um sich persönlich daran zu bereichern. Der einzige gültige Nutzen aus wissenschaftlichen Entdeckungen soll durch die Anerkennung durch Kollegen erzeugt werden. Demnach sollen Wissenschaftler:innen mit ihrer Arbeit keine persönlichen Interessen durchsetzen, sondern ausschließlich der Wissensproduktion verpflichtet sein.

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Die Struktur des akademischen Feldes: Wissenschaft als Wagnis
Die Ursachen für die Wandlungsprozesse im deutschen Hochschulwesen sind zwar vielfältig, für die vorliegende Abhandlung können sie aber im Kern auf zwei strukturelle Faktoren eingegrenzt werden: Überlastung und Unterfinanzierung als Langzeitfolgen von Bildungsexpansion und knapper öffentlicher Mittel. Als Konsequenz wird ein Qualitätsverlust universitärer Bildung diagnostiziert, der sich insbesondere in langen Studienzeiten, schlechten Betreuungsverhältnissen, hohen Abbruchquoten sowie mangelnder Beschäftigungsfähigkeit der Absolvent:innen niederschlägt (Wissenschaftsrat 1999). Als Folge der Lehrüberlastung wird zusätzlich eine Krise der Forschungsbedingungen abgeleitet. So wird vielfach argumentiert, dass aufgrund der Einheit von Forschung und Lehre zunehmend die Forschungsfreiräume durch Lehrverpflichtungen verdrängt werden (Schimank 1995, 16 f.). Im Zuge der Reformdiskussionen der vergangenen Jahre wurde die Schuld an diesem Leistungsdefizit in der traditionellen Verfassung der Universitäten festgemacht (Leendertz 2021, 44–46) und eine grundlegende Reform des Hochschulwesens nach Maßgaben des New Public Management initiiert (Baier 2017).

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Nicht-intendierte Folgen für die beteiligten Wissenschaftler: innen
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass die staatliche (De-)Regulierungen beziehungsweise Aktivierungspolitiken durch die Verstärkung eines „Akademischen Kapitalismus“ in Form von „New Public Management“ und die Schaffung von „Quasi-Märkten“ im akademischen Feld einen verschärften Wettbewerb um Forschungsgelder und Stellen bei gleichzeitiger Unterfinanzierung der Hochschulen in Gang gesetzt haben. Diese Veränderungen haben auch Einfluss auf die Mitglieder und das Personal im akademischen Feld. So beeinflussen die Regeln, Bewertungs- und Reputationssysteme des akademischen Feldes maßgeblich die lebensweltlichen Entscheidungen von zukünftigen Wissenschaftler:innen und strukturieren hierdurch die Qualifikationsphase, Karriereverläufe und späteren Arbeits- und Verhaltensweisen in der Wissenschaft (vergleiche Lenger 2015; Rogge 2015).

Fazit
Es ist zu vermuten, dass mit der Entstehung eines Neuen Geistes des akademischen Kapitalismus auch ein neuer aka demischer Habitus bei den beteiligten Wissenschaftler:innen einhergeht. Grund hierfür ist die Tatsache, dass eine Passung zwischen den nomos (Regeln) und der illusio (Glauben) im akademischen Feld erzeugt werden muss. Wenn sich die Strukturen des akademischen Feldes ändern, ändern sich langfristig auch die an diesem Feld beteiligten Menschen und passen ihre Handlungsweisen an die wettbewerblichen Erfordernisse des Feldes an. Wie sich dieser Habitus ausprägt und auf welcher Grundlage dann noch Wissenschaft betrieben wird, wird die Zukunft zeigen. Hier sind in den kommenden Jahren weitere empirische Untersuchungen notwendig. In jedem Fall ist festzuhalten, dass die neue Situation eine grundlegende Reform der akademischen Karrierewege sowie einer strukturellen „Entprekarisierung“ (Dörre 2005) der Beschäftigungsverhältnisse spätestens ab der Promotion benötigt, wenn das Ziel problemorientierte und kreative Forschungsergebnisse und nicht „karriereorientierte“ Journalpublikationen sein sollen.

 

  • Der gesamte Artikel ist im ► Onlineshop von Lemmens Medien erhältlich. Den Abonnenten der Zeitschrift Wissenschaftsmanagement steht der komplette Beitrag in ihren Accounts zum kostenlosen Download zur Verfügung.

 

Dr. Alexander Lenger ist seit Oktober 2019 Professor für Soziologie an der Katholischen Hochschule Freiburg.
Foto: privat