„Big Four“ schwächelt noch
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Governance & Management
„Big Four“ schwächelt noch

Diese Entwicklung reicht nicht aus, um Frauen eine gleichberechtigte Teilhabe im Wissenschaftssystem zu ermöglichen. Viele Maßnahmen, wie beispielsweise das Kaskadenmodell (2011 verabschiedete die GWK das sogenannte Kaskadenmodell. Danach soll der Frauenanteil jeder wissenschaftlichen Karrierestufe mindestens so hoch sein, wie derjenige der direkt darunterliegenden Qualifizierungsstufe.
Das Kaskadenmodell berücksichtigt so die spezifischen Gegebenheiten jedes Fachs und ermöglicht damit angemessene Zielvorgaben) oder Mentoring- und Coaching-Angebote, konnten die Geschlechterrelation auf höheren Karrierestufen nicht nachhaltig verändern. Um eine Veränderung zu erzielen müsse „deutlich an Tempo“ zugelegt werden, so das Fazit der HRK.
Neue Gesetze haben 2021 Quotenregelungen für Frauenanteile innerhalb der Wirtschaft eingeführt. Das zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) ist zum 12. August 2021 in Kraft getreten und betrifft private und öffentliche Unternehmen. Demnach gilt ein Mindestbeteiligungsgebot bei börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen von einer Frau bei Vorständen mit mehr als drei Mitgliedern.
Wird ohne Begründung und ohne den Verweis auf eine Zielgröße des Vorstands keine Frau in den Vorstand berufen, so sind Sanktionen zu erwarten. Bei Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes gelten strengere Vorgaben mit einer Geschlechterquote von 30 Prozent bei Aufsichtsräten und Vorständen (BMSFJ 2021).
Quotenregelung nützt
Der Frauenanteil in Aufsichtsräten von Unternehmen, die unter diese Quotenregelung fallen, belief sich 2021 auf 35,2 Prozent. Im Gegensatz dazu beträgt der Frauenanteil von Unternehmen, welche nicht dieser Regelung unterliegen, nur 19,9 Prozent. Die Vorstände der DAX-Konzerne zeigen eine weniger gleiche Besetzung: Zum September 2022 belief sich der Frauenanteil der Vorstände auf 14 Prozent und in lediglich drei der 40 Unternehmen lag ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis vor (Tagesschau 2022). Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) konstatiert, dass sich ein höherer Frauenanteil in Aufsichtsgremien „positiv auf Diskussion, Interaktionen und Entscheidungsfindungen“ (DIW 2021) auswirkt. Ein höherer Frauenanteil könne zu einer effektiveren Kontrolle der Vorstände und somit zu einem Rückgang von Fehlverhalten im Top-Management führen.
Diese positiven Auswirkungen sind auch in Wissenschaft und Forschung festzustellen. Hier führen heterogene Teams sowie unterschiedliche Hintergründe und Prägungen der Menschen zu besseren Forschungs- und Entwicklungsergebnissen (BMBF 2023). „Je ausgewogener die Geschlechterverteilung im Team, desto größer ist der Forschungsoutput.“ (CEWS journal 2022). Dennoch sinkt in der Wissenschaft weiterhin der Frauenanteil mit jeder Stufe auf der Karriereleiter und somit bleibt der „Leaky-Pipeline-Effekt“ bestehen. Im Jahr 2021 waren 52,4 Prozent der Erstimmatrikulierten, 45,9 Prozent der Promovierenden und 33,9 Prozent der Habilitierenden weiblich (Destatis 2022).
In der vorliegenden GWK-Analyse ist die Geschlechterverteilung der Leitungsebene und der entscheidenden Gremien von außeruniversitären Forschungseinrichtungen untersucht worden. Darüber hinaus ist die institutionelle Herkunft der Gremien erfasst worden, um die von Frauen besetzten Positionen, unter Berücksichtigung ihres beruflichen Hintergrunds, differenziert betrachten zu können. Die Studie ist eine Fortsetzung und Erweiterung der Studien, die 2016 (Wissenschaftsmanagement 2016) und 2019 (Wissenschaftsmanagement-online 2019) von der rheform erstellt und veröffentlicht worden sind.
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Methodik
Die Daten für diese Studie basieren auf einer von August bis September 2022 durchgeführten Recherche der Internetseiten der verschiedenen Einrichtungen. Hierbei sind die höchsten Führungspositionen, also die jeweiligen Institutsleitungen und die Verwaltungsleitungen, aufgenommen sowie die Mitglieder der Aufsichtsgremien untersucht worden. Es sind diejenigen Gremien betrachtet worden, welche bei der strukturellen Veränderung und fachlichen Ausrichtung der Einrichtungen entscheidend mitwirken. Bei der FHG und der MPG wird diese Rolle durch das Kuratorium erfüllt, bei der WGL und der HGF ist es die Mitgliederversammlung und das Kuratorium.
Bei der Recherche ist die Geschlechterverteilung untersucht worden. Die Geschlechtskategorie „divers“ ist hierbei nicht erkennbar gewesen, weshalb lediglich die Unterscheidung zwischen weiblichen und männlichen Geschlechtern aufgeführt ist. Die institutionelle Herkunft der Gremien (Wirtschaft, Politik oder Wissenschaft) ist ebenfalls aufgeführt worden.
Forschungsergebnisse
In Hinblick auf den Frauenanteil in den untersuchten Forschungseinrichtungen unterscheiden sich die Ergebnisse von Bereich zu Bereich stark voneinander. Bei den Institutsleitungen sind Frauen am geringsten vertreten. Dabei variiert der Anteil von 10,67 Prozent bei FHG bis zu 21,36 Prozent bei WGL. Bei den Aufsichtsgremien erreichen alle Institute, bis auf die FHG mit 27,35 Prozent, einen Frauenanteil von über 30 Prozent. Die Besetzung der Verwaltungsleitungen erzielt bei nahezu allen Einrichtungen annähernd einen Anteil von 50 Prozent oder mehr.
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Fazit
Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Frauenanteil in allen vier Forschungsorganisationen in den letzten drei Jahren gestiegen ist und sich ein Trend zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen im Wissenschaftssystem abzeichnet. Dabei hat sogar eine Verdopplung des Frauenanteils der Institutsleitungen bei Fraunhofer und Helmholtz innerhalb von sechs Jahren stattgefunden.
Trotzdem sind alle vier Organisationen von einer ausgeglichenen Geschlechterrelation noch entfernt, was besonders durch den sinkenden Frauenanteil mit steigender Karrierestufe verdeutlicht wird. Um eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in naher Zukunft zu erreichen, muss dem strukturell entgegengewirkt werden.
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Prof. Dr. rer.oec. Guido Benzler ist Gesellschafter und Geschäftsführer der rheform GmbH. Seit 1993 ist er im Bereich Hochschulentwicklung tätig und berät öffentliche Einrichtungen.
Dr. Philipp Adler ist seit 2013 im Bereich der strategischen und datenbasierten Beratung von Wissenschaftseinrichtungen bei der rheform aktiv.
Anton Brücher war zwischen 2022 und 2023 als Werksstudent im Bereich der Strategie- und Organisationsberatung bei der rheform aktiv.