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Mission impossible?

news

Georg Schütte

Forschungszentren

Mission impossible?

Herausforderungen und Chancen für Forschungszentren in einer neuen Zeit

„Mission: Impossible“ lautet der Titel einer Serie von Action- und Agentenfilmen, die in den vergangenen Jahren in unsere Kinos gekommen sind. In ihnen stellt sich der Held Ethan Hunt, dargestellt von Tom Cruise, abenteuerlichen Aufträgen, die unmöglich erscheinen, die er aber am Ende immer wieder meistert. In zugespitzter Form habe ich den Filmtitel aufgegriffen, um der Frage nachzugehen, vor welcher „mission: impossible“ Forschungszentren in Deutschland in der heutigen, in einer „neuen“ Zeit stehen.

Foto: Philip Bartz/Volkswagenstiftung
Gekürzte Fassung des Vortrags von Dr. Georg Schütte beim Neujahrsempfang des Forschungszentrums Jülich am 22. Januar 2024 in Jülich

 

An Herausforderungen fehlt es wahrlich nicht!

Deutschland in der Welt
Beginnen wir mit der größten, der grundlegendsten: Alle großen Forschungszentren, ja die deutsche Wissenschaft insgesamt, sind von den fundamentalen Veränderungen der weltweiten Machtverhältnisse betroffen. Drei Jahrzehnte, in denen wir in Nordwest-Europa eine relative Stabilität erlebt haben, sind vor fast zwei Jahren mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine endgültig an ihr Ende gekommen. Die Welt ist unsicherer geworden, die Sicherheitslage volatil. Dies wird Folgen haben für die Allokation öffentlich verfügbarer Ressourcen.

China ist der neue und starke Akteur auf der Weltbühne, auch auf der Bühne der Wissenschaft. Bereits im Jahr 2020 hat China die USA als führende Herkunftsnation von Autorinnen und Autoren, die in der NATURE-Publikationsfamilie publizieren, abgelöst. Aus der verlängerten Werkbank des Westens ist eine führende HighTech-Nation mit weltweit führender Spitzenwissenschaft geworden.

Für die weltweite Wissenschaft bedeutet das: Sie ist nicht länger nur ein Kooperationsraum, sondern auch eine Arena der Konfrontation und des Konflikts. „Forschungssicherheit“ steht plötzlich ganz oben auf der sicherheitspolitischen Agenda. Und der Wettlauf um Wissen, um Innovationsvorsprünge, um Schlüsseltechnologien und Talente ist voll entbrannt. Deutschland und Europa verlieren in dieser neuen Weltlage an Einfluss und Bedeutung, anderer Akteure und Großmächte positionieren sich neu und schaffen neue Allianzen.

Deutschland und seine Ressourcen

Mit der geopolitischen Stabilität ging und geht in den 2020er-Jahren auch eine lange Phase des Wohlstandwachstums zu Ende, die getrieben war von einer Ausweitung des weltweiten Freihandels. Vier Megatrends, die „4 D’s“, kennzeichnen heute die wirtschaftliche Entwicklung: De-Globalisierung, De-Carbonisierung, der demografische Wandel und die digitale technologische Revolution. Sie machen eine Neubestimmung unserer Innovationsbereitschaft und Wohlstandserwartung notwendig.

Zuende gehen damit auch zwei Jahrzehnte kontinuierlich steigender Ausgaben für die deutsche Wissenschaft. Aktuell liegen die Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Deutschland bei rund 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Pakte für die Gemeinschaftsfinanzierung der Wissenschaft durch Bund und Länder sind geschnürt. Sie bieten Vorsorge gegen unmittelbare Kürzungen der Kernhaushalte. Doch der Verteilungskampf um weitere Projektfördermittel wird härter werden. Nationale Sicherheit, eine funktionierende Infrastruktur im öffentlichen Raum, Bildung und Altersversorgung in einer älter werdenden Gesellschaft kosten Geld. Und wir können nur ausgeben, was wir erwirtschaften, wollen wir nicht auf Kosten der jungen Generation leben.

Deutschland und seine politischen Leitungs- und Entscheidungsstrukturen

Politisches Handeln ist zunehmend auf wissenschaftliche Erkenntnisse angewiesen. Ja, in mancherlei Hinsicht ist die öffentliche Hand gar bereit, mit hohem Risiko auf die Innovationsfähigkeit der Wissenschaft zu setzen, um künftige Wohlstandschancen zu heben, etwa bei der Gründung neuer Forschungszentren in Kohleregionen, um dort den Strukturwandel zu unterstützen. Aber haben wir grundsätzlich die richtigen Strukturen, um dieser strategischen Beratung der Regierungen in Bund und Ländern gerecht zu werden? Und was geschieht, wenn dieser Austausch populistisch unter Druck gerät, etwa als abgehobener, naturromantischer Energiewende- Diskurs oder – allgemeiner – als abgehobener Elitendiskurs?

Zu hinterfragen ist auch, ob die Austauscharenen, in denen Bund und Länder die Finanzierung von Wissenschaft verhandeln, noch funktional sind. Ist der derzeitige Zustand der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, in der Bund und Länder in mehr oder minder festen Positionen so lange im Gegeneinander verharren, bis der öffentliche Einigungsdruck zu groß wird, in der Tat adäquat, wenn in anderen Teilen der Welt hoch dynamisch Forschung und Entwicklung vorangetrieben werden? Ist dieses Mehrebenensystem also noch zeitgemäß, um die Wissenschaft und damit Deutschland konkurrenzfähig zu halten?

Der Blick nach vorne

Stehen wir angesichts dieser Lage also doch vor einer „mission: impossible“?

Schauen wir nach den Chancen und den Perspektiven, die sich ergeben. Man muss nicht Tom Cruise alias Ethan Hunt sein und sie in einem show down entdecken. Nein, sie liegen doch vor uns.

Sie haben hier in Jülich ein Forschungszentrum, dass auf vielen Gebieten eine hohe Reputation aufgebaut hat. Und schon seit vielen Jahren sind Sie unterwegs, um den Kurs zu wechseln – von einer durch politische und finanzielle Opportunitäten getriebene Expansion hin zu einer Fokussierung auf Schlüsselthemen. Die Finanzierungsbedingungen innerhalb von Helmholtz und die Verteilungsmechanismen einer Programmorientierten Forschung, der „PoF“ sind für solche Veränderungsprozesse wenig offen. Bleiben Sie dennoch beharrlich: Setzen Sie weiter Prioritäten! Und zeigen Sie exemplarisch, wie es auch innerhalb von Helmholtz-Zentren gelingen kann, Pfandabhängigkeiten aufzubrechen!

Suchen Sie dafür auch Freiräume: Ein Transformationsfonds, der es Ihnen ermöglicht, zumindest mittelfristig neue Gebiete zu erschließen, könnte ein Instrument sein, um neues Terrain zu erschließen und innovative Forschungsfelder zu besetzen.

Um aus der „mission: impossible“ eine „mission: possible“ zu machen, will ich an dieser Stelle auch ein vorsichtigen, aber weitreichenden Hinweis an Bund und Länder geben: Befreien Sie Helmholtz von dem bürokratischen Moloch der PoF. Der ETH-Rat in der Schweiz, der unter anderem auch als Intermediär zwischen der Schweizer Bundesregierung und den vier nationalen Forschungszentren sowie den Eidgenössischen Hochschulen fungiert, erhält ein nationales Budget, das er als Globalhaushalte an die insgesamt sechs beteiligten Organisationen weitergibt. Verbindliche Zielvereinbarungen und größtmögliche operative Freiheit sind die zentralen Elemente dieser alternativen Entwicklungslogik. Ein genauerer Blick wäre lohnenswert.

Behalten Sie bei alledem die junge Generation mit im Blick – nicht nur als Humanressource, sondern als Partner für die Zukunft. Wir brauchen das Wissen von Morgen, um die Welt von Morgen zu gestalten. Es wird eine Welt sein, in der wir in ganz neuer Form mit den Ressourcen, die uns verfügbar sind, umgehen müssen. Hier steht die Wissenschaft in einer Erkenntnisverantwortung. Dies gilt es bei allen Prioritätenentscheidungen, die uns heute abverlangt werden, mitzubedenken. Zugleich gilt es, diese Perspektive im gesellschaftlichen Diskurs gegen populistische Vereinfachungen und kurzsichtiges Zurück in die Zukunft zu verteidigen. Versprechen Sie als Forschungszentrum nur, was Sie auch halten können! Und halten Sie, was Sie versprechen!

 

  • Der komplette Artikel ist im ► Onlineshop von Lemmens Medien erhältlich. Den Abonnenten der Zeitschrift Wissenschaftsmanagement steht der gesamte Beitrag in ihren Accounts zum kostenlosen Download zur Verfügung.

 

Dr. Georg Schütte ist Medien- und Kommunikationswissenschaftler und seit 2020 Generalsekretär der Volkswagenstiftung. Von Ende 2009 bis Mitte 2019 war Schütte Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Foto: Philip Bartz/Volkswagenstiftung