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Vorbild mit Einschränkung

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K.Rüdiger Durth

Kommentar

Vorbild mit Einschränkung

Im Blick auf das duale Ausbildungssystem müssen noch viele Ärmel hochgekrempelt werden

Die duale Berufsausbildung – also das berufsbezogene Lernen junger Menschen in Betrieb und Berufsschule – gilt weltweit als Vorbild. Nicht zu Unrecht. Denn der deutsche Facharbeiter ist für das hohe Ansehen von „Made in Germany“ mitverantwortlich. Und so ist es verständlich, dass nicht wenige Staaten prüfen, ob sie dieses Modell nicht übernehmen können. Denn Industrie und Wirtschaft sind nicht nur auf exzellente Wissenschaftler angewiesen, sondern eben auch auf gut ausgebildete Fachkräfte.

Ein Krankenhaus kann seiner Aufgabe nicht gerecht werden, wenn es neben fachkundigen Medizinern nicht auch über gute Gesundheits- und Krankenpfleger oder Medizinisch-technische Assistenten verfügt. Das gilt für den Supermarkt nicht weniger, der nur funktioniert, wenn er über tüchtige Kaufleute verfügt. Ganz zu schweigen von der Industrie, die ohne hervorragend ausgebildete Gesellen und Meister auf dem freien Markt keine Chance hat. Diese wenigen Beispiele machen deutlich, dass die moderne Wirtschafts- und Industriegesellschaft nicht ohne eine gute Ausbildung auskommt. Und hier hat sich das Miteinander von Praxis und Theorie, von Betrieb und Berufsschule mehr als bewährt. Dennoch sollten Regierung, Wirtschaft, Industrie und Gewerkschaften nicht den Mund zu voll nehmen, wenn sie neuerdings massenweise ausländische Delegationen über das duale Ausbildungssystem informieren und sich vom fremden Lob einlullen lassen. Denn das Vorbild gilt nur mit Einschränkung, da die Jugendarbeitslosigkeit mit 8,1 Prozent über der durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von 6,5 Prozent liegt. Auch wenn sie beispielsweise spanische oder griechische Zahlen mit bis zu 50 Prozent Arbeitslosigkeit junger Menschen weit unterbietet. Nach wie vor gilt (nicht nur) in Deutschland die Maxime, je besser das Zeugnis der jungen Menschen ist, desto leichter erhalten sie einen begehrten Ausbildungsplatz. Und der erfolgreiche Abschluss der Lehre ist Voraussetzung für einen festen Arbeitsplatz. Weiterhin gilt, dass aufgrund der demografischen Entwicklung möglichst alle jungen Menschen einen zukunftssicheren Ausbildungsplatz benötigen. Doch damit ist nicht zu vereinbaren, dass gegenwärtig 175.000 junge Menschen keinen Ausbildungsplatz finden, sondern in allerlei Überbrückungseinrichtungen auf einen solchen warten. Und 1,5 Millionen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren warten bisher vergebens. Wer das duale System als Vorbild lobt, darf diese Zahlen nicht unter den Teppich kehren. Denn in Wahrheit ist dieses System ein Vorbild mit Einschränkung. Dass man sich gegenseitig die Schuld für diese Zahlen zuschiebt, gehört schon fast zum politischen Spiel. Nur sollte es nicht auf dem Rücken der jungen Menschen ausgetragen werden. Die einen machen die Hauptschule für die mangelnde Ausbildungsfähigkeit junger Menschen verantwortlich (die übrigens auch in einer hohen Anzahl eine begonnene Lehre wieder abbrechen), de anderen die mangelnden Deutschkenntnisse junger Deutscher mit Migrationshintergrund. Dritte wieder meinen, im Kampf um die guten Ausbildungsplätze würden Abiturienten Real- und Hauptschüler verdrängen, Vierte machen eine mangelnde Ausbildungsbereitschaft vieler Betriebe aus. An all diesen Gründen ist etwas dran. Aber die Zeit der Ausreden muss vorbei sein, denn eine älter werdende Industrienation braucht jeden jungen Menschen für eine gute Ausbildung (nicht nur für ein Studium). Dass ausländische Jugendliche dümmer sind als deutsche, behauptet heute zum Glück niemand. Denn dies wäre genauso falsch wie früher die Behauptung, Katholiken seien dümmer als Protestanten. Aber es ist richtig, dass ein Jugendlicher mit Migrationshintergrund Sicherheitsbestimmungen lesen können muss – nicht nur im Bereich der Elektroausbildungen. Weil sonst der betreffenden Jugendliche in höchste Lebensgefahr geraten kann. Einige Betriebe bieten zur Ausbildung zusätzlichen Unterricht in Deutsch und Mathematik an. Vorbildlich. Aber warum sind unsere Schulen so unflexibel und bieten jungen Menschen nicht ein oder zwei zusätzliche Hauptschuljahre an, um ihre Leistungsdefizite auszugleichen? Und das nicht nur freiwillig, sondern als Pflicht? Vor allem aber: Die Gesamt- und Hauptschule muss endlich zu einer angesehenen Schulform werden, in denen junge Menschen für das Berufsleben ausgebildet werden. Wo es aufgrund der Zusammensetzung der Schüler besondere Probleme gibt, müssen mehr Lehrer eingestellt werden, sind kleiner Gruppen zu bilden. Und was ist eigentlich so verwerflich an der Forderung einiger Politiker, das Kindergeld für Migrationsfamilien vom Besuch des Kindergartens abhängig zu machen? Das duale System Deutschland ist vorbildlich. Freilich mit Einschränkungen. Denn 1,5 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 29 Jahren ohne abgeschlossene Ausbildung und 175 000 junge Menschen ohne Ausbildungsplatz ist einfach nicht hinnehmbar. Das sind Zahlen, hinter denen nicht nur gleich viele Einzelschicksale mit geringen Chancen für ein erfülltes und eigenverantwortliches Leben stecken, sondern auch Zahlen, die sich das älter werdende Deutschland nicht mehr leisten kann. Wann schreien endlich alle Betroffenen auf und wann wird in unser aller Interesse für Abhilfe gesorgt, die freilich Geld kostet, aber erheblich weniger als die entstehenden sozialen Folgekosten? Marvin Siefke/pixelio