Israel ist das zweite Silicon Valley
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Internationale Spitzenforschung
Israel ist das zweite Silicon Valley

Wissenschaftsmanagement (WM): Wenn die Frage der internationalen Spitzenforschung und -technologie auf der Tagesordnung steht, denken die meisten sofort an die USA, aber nur ganz wenige an Israel. Gibt es dafür aus Ihrer Sicht einen Grund?
Rüttgers: Israel ist ein kleines Land. Es liegt im Nahen Osten. Dort stehen andere Themen im Mittelpunkt der öffentlichen Berichterstattung. Leider!
WM: Sie haben auch in Israel eine Honorarprofessur inne. Wo liegen die Stärken der israelischen Forschung und Technologie?
Rüttgers: Israel ist in den letzten 20 Jahren ein großes Hightech-Land geworden. Heute ist Israel das zweite Silicon Valley, voll von Start-ups, vielen jungen Forschern und 56 Universitäten, manche mit Weltruf wie das IDC in Herzliya, das Technion in Tel Aviv, das Weizmann-Institut.
WM: Bereits als Bundesforschungsminister haben Sie sich für eine engere Forschungskooperation mit Israel eingesetzt. Haben diese Bemühungen nachhaltige Erfolge gehabt?
Rüttgers: Die israelischen Forscher können seit den 90er Jahren auf meine Anregung in den europäischen Forschungsprogrammen mitarbeiten. Das war der Startschuss für den wissenschaftlich-technischen Aufstieg des Landes.
WM: Wie schätzen Sie die Kooperation der deutschen Wirtschaft mit israelischen Forschungseinrichtungen ein?
Rüttgers: Die israelischen Forscher sind Weltklasse und deshalb gesuchte Partner. Viele deutsche Unternehmen arbeiten eng mit israelischen Forschungslaboratorien zusammen.
WM: Junge deutsche Wissenschaftler haben meist die USA vor Augen – warum nicht auch Israel?
Rüttgers: Amerika ist noch immer die Nummer eins. Aber Israel ist auch Spitze. Am IDC in Herzliya arbeiten junge Studenten mit Forschern aus aller Herren Länder. Wenn ich nochmal studieren müsste, ginge ich da hin.
WM: Was kann getan werden, um den Wissenschaftleraustausch zwischen Deutschland und Israel in Gang zu bringen?
Rüttgers: Heute leben 20.000 junge Israelis in Berlin. Viele von ihnen arbeiten in Start-ups und an Hochschulen. Dieser Studenten- und Wissenschaftleraustausch ist inzwischen ein Selbstläufer.
WM: Müssen sich hier nicht auch die Wissenschaftsorganisationen beider Länder mehr engagieren?
Rüttgers: Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit dort noch besser wird. Wir arbeiten gerade daran.
WM: Ist die Frage einer stärkeren forschungspolitischen Kooperation nur eine Frage der deutschen oder nicht doch auch eine der europäischen Seite?
Rüttgers: Das Verhältnis von Deutschland und Israel ist trotz unserer Vergangenheit einzigartig. Das Verhältnis zu manchen Ländern in Europa muss noch besser werden.
WM: Spielt die deutsche Vergangenheit in der Zusammenarbeit beider Länder auf forschungspolitischem Gebiet noch eine Rolle?
Rüttgers: Die Schoah spielt immer eine Rolle und das ist auch gut so. Dieses einzigartige Menschheitsverbrechen darf weder vergessen noch relativiert werden. Wir Deutschen tragen dafür eine besondere Verantwortung. Jede Zusammenarbeit hilft Israel und hoffentlich bald auch den Nachbarländern Israels. Israel und Deutschland können gemeinsam viel tun, um vor allem den jungen Menschen im Nahen Osten eine Zukunftschance zu geben.
WM: Welchen Schwerpunkt legen Sie in ihrer akademischen und politischen Arbeit in Israel?
Rüttgers: Wir Deutschen haben in Zeiten der Teilung unseres Landes gelernt, dass durch viele kleine Schritte die Zusammenarbeit und das Kennenlernen ein Wandel durch Annäherung entsteht. Beide Länder gehören fest zum Westen. Israel ist privilegierter Partner der Europäischen Union und Teil des Nahen Ostens. Gemeinsam können wir viel tun, dass Israel dort nicht isoliert ist.
Foto: Michael Amtz