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Innovationsformel und Innovationsprüfstand

news

Gerhard Hube

CASE: Innovationsmerkmale

Innovationsformel und Innovationsprüfstand

Entwicklung eines Instrumentes zur Bestimmung des Innovationsstatus in der Gegenwart

Die Diskussion über die große Bedeutung und hohe Wirksamkeit von Innovation für das Überleben von Unternehmen (Maaß/May-Strobl 2016, 1), insbesondere im mittelständischen Bereich (Kaschny et al. 2015, 15) und sogar für Gesellschaften als Ganzes (OECD 2018, 3) wird sowohl aktuell als auch seit einigen Jahrzehnten intensiv diskutiert. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen gibt es in der Literatur bis heute keinen allgemeingültigen Innovationsbegriff (Völker/Friesenhahn 2018, 17; Vahs 2013, 20) oder zumindest keinen, der sich durch eine klare und einfache Vorgehensweise durchgesetzt hat und gerade der Praxis eine Orientierung geben könnte, was unter Innovation zu verstehen ist und was nicht.

Foto: privat

Case: Einleitung und Zielsetzung

Aus diesem Grund soll an dieser Stelle der Versuch unternommen werden einen Beitrag zu einem einfachen, klaren und möglichst eindeutigen Innovationsverständnis zu leisten. Außerdem soll der Versuch unternommen werden ein Dilemma zu lösen, das häufig bei der Anwendung und Diskussion zu Innovation auftritt. Dieses Dilemma entsteht, wenn die Akteure den Status quo einer Innovation vom zukünftigen Potenzial nicht eindeutig abgrenzen und es dadurch zu Missverständnissen und Fehlentscheidungen kommt. Deshalb ist es sowohl für die Wissenschaft als auch die Wirtschaftspraxis von hoher Bedeutung, ein einheitliches Verständnis von Innovation zu entwickeln. Dieses Verständnis ist wichtig um auf dem Weg zu einem innovationsorientierten Unternehmen eine gemeinsame Vorstellung darüber zu haben, was unter Innovation zu verstehen ist und was nicht. Daraus ergeben sich dann nämlich weitreichende Folgen für die Gestaltung von Organisation und Prozessen im Unternehmen (Hauschild 2007, 6–7). Mit dieser Arbeit wird aufbauend auf einer klaren Definition von Innovation ein Instrument entwickelt, das sowohl in der Praxis als auch in der Lehre Verwendung finden soll.

 

Case: Beschreibung

                 Der Innovationsbegriff von Schumpeter bis heute

   „Innovation ist ein schillernder, ein modischer Begriff“ (Hauschild 2007, 3)

Seit Schumpeter sich erstmals grundlegend mit den „Neuerungen in der Wirtschaft“ für Volkswirtschaften und Unternehmen beschäftigt hat (Schumpeter 1939, 87) und sich daraus die Innovationsdebatte in Wirtschaft und Literatur entwickelte, ist die Diskussion über eine Eingrenzung, Abgrenzung und Definition nicht abgebrochen. Während Schumpeter von neuen Kombinationen in Form neuer Produkte, neuer Prozesse, neuer Bezugsquelle, Absatzmärkte sowie Organisationsformen und deren Durchsetzung am Markt spricht (Schumpeter 1934, 100 f.), wurden in den darauffolgenden Dekaden bis heute die unterschiedlichsten Erklärungsmodelle und Definitionen für Innovation entwickelt. Dabei wurden verschiedene Herangehensweisen gewählt, wie zum Beispiel die Neuartigkeit als entscheidender Aspekt (Barnett 1953, 7), die neuartige Kombination von Zweck und Mitteln (Moore 1982, 132) oder Innovation als Prozess (Dosi 1988, 222). Eine Clusterung dieser unterschiedlichen Herangehensweisen findet sich bei Hauschildt et al., wobei insgesamt sieben Schwerpunktaspekte für Innovationsdefinitionen in der Literatur zwischen 1953 bis 1992 unterschieden werden (Hauschildt et al. 2016, 5):
 

  • „Innovation als neuartige Produkte oder Prozesse der Tatsache und dem Ausmaß der Neuartigkeit nach,
  • Innovation als neuartige Produkte oder Prozesse der Erstmaligkeit,
  • Innovation als neuartige Produkte oder Prozesse der Wahrnehmung nach,
  • Innovation als neuartige Kombination von Zweck und Mitteln,
  • Innovation als Verwertung neuartiger Produkte oder Prozesse,
  • Innovation als Prozess und
  • Innovation als neuartige Dienstleistungen jenseits industrieller
  • Produkte und Prozesse“.

Mitterdorfer-Schaad stellt einige der Autoren beginnend bei Schumpeter, bis einschließlich Vahs 1999 in eine vergleichende Übersicht. In dieser Darstellung wird die Entwicklung zu einem immer umfassenderen Innovationsverständnis aufgezeigt, ausgehend von einem ursprünglich eher auf Teilaspekte fokussiertem Innovationsverständnis (Mitterdorfer-Schaad 2001, 14).

Bullinger erkennt eine Entwicklung beim Innovationsverständnis zwischen „alter Art“ und „neuer Art“. Während im früheren Innovationsverständnis eher große dramatische Schritte, Abbruch und Neuaufbau durch wenige Spezialisten im geheimen gemeint waren entwickelte es sich später zu einem eher langfristig andauernden, öffentlichen und gemeinschaftlichen Verständnis (Bullinger 1994, 37).

Es wird deutlich wie vielfältig und zahlreich die Autoren sich zu diesem Thema äußern, ohne dass sich schlussendlich eine allgemein gültige Definition durchgesetzt hätte (Vahs/Burmester 2005, 43). Auch in der Praxis herrscht meist keine Einigkeit über ein Innovationsverständnis, was Goffin/Mitchel mit dem Zitat eines Research and Development Managers pointieren: „If I ask five different people at our company what innovation is, I will get at least five different answers“ (Goffin/Mitchel 2017, 3). Es soll an dieser Stelle nicht weiter auf die weiteren zahlreichen und unterschiedlichen Ansätze eines Innovationsverständnisses eingegangen werden, dazu finden sich umfassende und strukturierte Arbeiten in der Literatur (Marcharzina 2010, 744 ff.; Blättel-Mink 2006, 29 ff.; Friedrich-Nishio 2005, 40 ff.). Einigkeit herrscht allerdings darüber, dass durch diese große semantische Vielfalt die Gefahr für Missverständnisse enorm ist und es deshalb nicht dem Zufall überlassen werden sollte (Hauschildt et al. 2016, 4).

Das Dilemma mit dem Innovationsbegriff

Eine der Ursachen beim unterschiedlichen Verständnis von Innovation scheint unter anderem auch in der synonymen Verwendung der Begrifflichkeiten „Invention“ und „Innovation“ zu liegen, insbesondere im täglichen Sprachgebrauch (Albach 1991, 46; Schaudel 1993, 46; Strebel 2007, 20 f.). Die Invention oder Erfindung ist aber nur die notwendige Vorstufe einer Innovation und beschreibt das Ergebnis einer geplanten oder ungeplanten Ideengenerierung, ist also zeitpunktbezogen, während die Innovation immer das Ergebnis eines Innovationsprozesses oder den Innovationsprozess selbst darstellt (Vahs/Brem 2013, 21). Allerdings findet sich beim Innovationsbegriff keine klare zeitliche Verankerung, sondern es wird zwischen unterschiedlichen zeitlichen Blickwinkeln unterteilt. So unterscheidet man in der Literatur zwischen ergebnisorientierter beziehungsweise objektbezogener und prozessorientierter Betrachtung (Gerpott 2005, 37; Corsten et al. 2016, 6). Sofern man in der Unternehmenspraxis diese beiden Sichtweisen nicht klar definiert und trennt, können daraus weitreichende Missverständnisse entstehen. In der praktischen Anwendung erscheinen die Definitionsansätze aus der Literatur deshalb nur dann sinnvoll, wenn in der Diskussion klar zwischen den verschiedenen Betrachtungsweisen unterschieden wird, also ob es sich um eine Zustandsbeschreibung von Innovation handelt oder ob das zukünftige Potenzial analysiert und bewertet werden soll. Der Innovationsbegriff scheint also zeitgleich Gegenwart und Zukunft zu beinhalten. In der Abbildung 2 soll dieses grundlegende Dilemma des Innovationsverständnisses einmal veranschaulicht werden. Während die eine Person den tatsächlichen Status fokussiert und keine Neuigkeit erkennen kann ist die andere Person bereits in einer gedanklichen Weiterentwicklung und sieht die großen Potenziale und Chancen, die sich ergeben könnten.

Tatsächlicher Nutzen der Innovation
 

Innovationsaktivitäten sind kein Selbstzweck, sondern werden gezielt aktiviert, um bestimmte Zielsetzungen zu erreichen (Vahs 2013, 40). Als wichtigste Ziele werden dabei technische und wirtschaftliche Inhalte aufgeführt (Hauschildt et al. 2016, 322), wobei zahlreiche Autoren die wirtschaftliche Zielsetzung von Innovationen in den Vordergrund stellen (Vahs 2013, 21; Roberts 1987, 3; Gerpott 2005, 37; Fagerberg 2003, 131; Corsten 2016, 6). Die technischen Zielvariablen werden auch als Leistungs- beziehungsweise Sachziele bezeichnet und beziehen sich dabei auf Eigenschaften und Verwendungsaspekte der Innovation (Hauschildt et al. 2016, 322). Neben diesen beiden Zielen können durch Innovationen ebenfalls Nutzen in sozialer oder ökologischer Hinsicht entstehen, Aspekte, die zunehmend an Bedeutung gewinnen (Vahs 2013, 38). Für diesen Ansatz soll deshalb von einer nutzenstiftenden Umsetzung einer Innovation gesprochen werden und dabei neben dem wirtschaftlichen und technischen Perspektiven auch weitere Nutzensaspekte berücksichtigt werden. Die Nutzenformulierung soll dabei bewusst verwendet werden, da für Innovationen häufig komplexe und konfliktäre Zielsysteme entstehen und sich diese mit der Nutzenformulierung als übergeordnete Zieleigenschaft eher auflösen lassen (Hauschildt et al. 2016, 332). So kann neben einem direkten technischen Nutzen wie zum Beispiel der Laufzeit oder einer Hitzebeständigkeit auch indirekter Nutzen wie zum Beispiel Lerneffekte, Erfahrung und Wissen oder eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit durch Innovation entstehen, die oft bedeutsamer sein können als die direkten Effekte (Keil et al. 2009, 620). Selbst wenn eine Innovation am Markt nicht erfolgreich ist, können interne Effekte wie Erfahrungs- und Kompetenzgewinne im Rahmen eines Innovationsprojektes zu dem Erfolg zukünftiger Innovationen beitragen (Billing 2003, 177).

Auf die zahlreichen und differenzierten Überlegungen zur Messung des Innovationserfolges (Kaschny et al. 2015, 7–9; Corsten et al. 2016, 17–20; Hauschildt et al. 2016, 397 ff.), wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. Auch die vielzähligen Kennzahlenmodelle zur Erfolgsmessung von Innovationsaktivitäten (zum Beispiel Pillai et al. 2002, 166–176; Bürgel et al. 1996, 290–332; Werner 2002, 56–235) sollen hier nicht ausgeführt werden. In dieser Arbeit geht es um eine Status-quo-Analyse der Innovationsaktivitäten, um anschließend steuernd einzugreifen und Entscheidungen vorzubereiten. Deshalb erscheint es nicht sinnvoll, detaillierte, isolierte Kriterien zu wählen, sondern möglichst einfach einzuschätzende eher qualitative Maßgrößen zu finden (Gerpott 2005, 70). Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse sollen für diesen Ansatz folgende fünf Nutzenkriterien verwendet werden:

  1. Wirtschaftlicher Nutzen
  2. Nutzen durch Know-how-Zuwachs, Erfahrung oder Wissen
  3. Nutzen für Mitarbeitende im Unternehmen
  4. Nutzen für Gesellschaft
  5. Nutzen für Umwelt

Mit den beiden nun definierten Kriterien für den Reifegrad und für den Nutzen in diesem Kapitel lässt sich eine Beurteilung für das Innovationsvorhaben abgeben, die über die Idee hinausgeht. Nun kann damit in die Umsetzung der Überlegungen der Innovations(status)formel in ein Instrument erfolgen. Für den Einsatz in der Praxis wurde dazu ein Tool auf Excel Basis entwickelt.

Case: Auswertungen

Für eine erste Auswertung des Innovationsprüfstandes werden zwei Portfoliodarstellungen verwendet. Portfoliodarstellungen erlauben eine einfache und gut verständliche Visualisierung, außerdem können bereits erste Handlungsempfehlungen pro Ergebnisfeld angegeben werden.

Im ersten Portfolio soll ausschließlich die Idee in den beiden Kategorien „Neu für wen?“ und „Wie neu?“ bewertet werden. Damit kann die Idee unabhängig von einer Umsetzung beurteilt werden und gegebenenfalls bei einer Auswahl verschiedener Ideen weiterhelfen. In den einzelnen Feldern sind dazu Vorschläge für eine erste Interpretation vorbereitet.

Mit dem Innovationsportfolio soll das Gesamtergebnis des Innovationsprüfstandes dargestellt werden. In den neun Feldern wird dabei, wie auch im Ideenportfolio, eine erste Handlungsempfehlung vorgeschlagen.

Falls nach dieser Bewertung, die eventuell von der Abteilung Forschung und Entwicklung durchgeführt wurde, die Einschätzungen auch aus anderen Unternehmensbereichen eingeholt werden soll, könnte man dies nun für ausgewählte Projekte im Multibeurteiler Modus umsetzen. Dabei würden gegebenenfalls die unterschiedlichen Einschätzungen ersichtlich und könnten bei der weiteren Entscheidungsfindung oder im Projektverlauf berücksichtigt werden.
 

Case: Fazit

Der hier vorgestellte Ansatz der Innovations(status)formel wurde bereits in der Lehre eingesetzt, sowohl im Rahmen von Bachelorstudiengängen als auch in Kursen eines Masterstudiengangs. Die Vermittlung der grundlegenden Gedanken und Charakteristika von Innovation, sowie die Verwendung des Innovationsprüfstandes als praktische Anwendung konnte gut und wirksam in der Lehre verwendet werden. Neben der Lehre, wurde der Ansatz auch durch Experteninterviews evaluiert und fand bereits in mehreren Projekten mit Wirtschaftsunternehmen Anwendung. Die daraus gewonnenen Erfahrungen konnten erfolgreich in die Überarbeitung, insbesondere des Instrumentes verwendet werden. So ist zum Beispiel die Ergänzung des Multi-Beurteilermodus ein Wunsch der Wirtschaftspraxis. Aufgrund der guten Erfahrungen mit diesem Ansatz soll im Anschluss eine weitere Formel entwickelt werden, die anknüpfend an die Analyse des Innovationsstatus, einen Ansatz entwickelt, der die Beurteilung des Potenzials von (zukünftigen) Innovationen ermöglicht. Dieser soll ähnlich wie bei der Innovations(status)formel möglichst einfach und einprägsam sein und verdeutlichen, dass vor einem potenziellen Innovationserfolg besondere Aufwendungen und Aktivitäten notwendig sind sowie bestimmte Risiken auftreten können.

 

  • Der komplette Artikel ist im ► Onlineshop von Lemmens Medien erhältlich. Den Abonnenten der Zeitschrift Wissenschaftsmanagement steht der gesamte Beitrag in ihren Accounts zum kostenlosen Download zur Verfügung.

 

Prof. Dr. Gerhard Hube ist seit dem Jahr 2010 Professor für „Strategisches Innovationsmanagement“ an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt und verantwortlich für den Masterstudiengang „Integriertes Innovationsmanagement“.

Foto: privat