Grenzen des Wachstum
news
Infrastrukturmanagement
Grenzen des Wachstum

Auf der Aufgabenliste der Autoren dieses Beitrags steht die Planung und Umsetzung von Basis-IT-Infrastrukturen, mit denen Mitglieder der Universität Freiburg arbeiten. Ohne sie ist Forschung, Lehre und Verwaltung nicht möglich. Dieser Beitrag beschreibt am Beispiel des Energiemanagements für IT die damit einhergehende Verantwortung und wie die Mitglieder der Universität einzubinden sind. Solche Hintergründe gilt es transparent zu machen, um eine informierte Diskussion um strategische IT-Entwicklungen mit allen Statusgruppen am Campus führen zu können.
Der konkrete Anlass, durch den innerhalb der Universität Freiburg eine breitere Diskussion entstand, war die Notwendigkeit, ein in die Jahre gekommenes HPC-Cluster durch neues Gerät zu ersetzen. HPC steht für High-Performance-Computing und meint Hochleistungsrechnen für Anwendungsfelder wie Simulationen, künstliche Intelligenz und weitere. HPC folgt einem anderen Verbrauchsmodell als übliche IT-Dienste. Es wird eine vollständige Auslastung der Prozessoren angestrebt, was sich in durchgehend höheren Verbräuchen niederschlägt. Obwohl es nur von einem geringen Prozentsatz der Forschenden verwendet wird, gehört HPC zu den Diensten, die jede Hochschule heutzutage vorweisen möchte. Im Rahmen einer sondierenden Markterhebung wurden die technischen Fragen durchgespielt, die bei der Modernisierung in Einklang zu bringen sind: Energieversorgung, Klimatisierung von Maschinensälen und Kosten von unterstützenden technischen Systemen. Obwohl solche Fragen weit weg vom Forschungsalltag zu sein scheinen, zeigt sich an ihnen, wie wichtig strategische Diskussionen sind, die einerseits eine klare Richtung verfolgen und andererseits die Realitäten im Blick behalten.
Ausgangslage
So wie zuvor keine Wissenschaft ohne Schrift und Papier möglich war, ist mit der Digitalisierung auf der Basis elektronischer Schaltkreise Wissenschaft von einer durchgängigen Energieversorgung abhängig. Elektrische Energie wird sowohl für dezentrale Rechner und Netzwerkinfrastrukturen als auch für cloudbasierte Dienste und das wissenschaftliche Rechnen benötigt. Die Serverräume der Universität Freiburg sind Teil der zentralen Infrastruktur und werden von verschiedenen Einrichtungen und Fakultäten für das Hosting von Maschinen für Forschung, Lehre und Verwaltung genutzt. In diesen Serverräumen sind außerdem Systeme untergebracht, die Basisdienste wie persönlichen Speicherplatz für alle Mitglieder der Universität (Home-Directories) und Gruppenlaufwerke für Professuren und Arbeitsgruppen anbieten.
…
Analyse der Energiekosten
Bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine war das Energiemanagement ein wichtiger Faktor beim Betrieb zentraler IT-Infrastrukturen. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft (UMBWL) fordert seit 2014 GreenIT ein. Zentrale Komponente dieser politisch begründeten Vorgabe ist die Reduzierung des laufenden Energiebedarfs. Mit Kosten von knapp einer Million Euro pro Jahr nach alten Preisen ist das Rechenzentrum einer der Großverbraucher. Es wird daher bei diesbezüglichen Überlegungen mit hoher Priorität einzubeziehen sein.
…
Planungsparameter
Aus der Analyse der Energiekosten schälen sich drei Bereiche für die Planung heraus, in denen Energiefragen eine Rolle spielen. Sie sind gleichzeitig Parameter, aus denen sich die Leistungsfähigkeit eines Serverraums ableitet. Die baulichen Gegebenheiten des gewählten Raums bestimmen, wie viele Racks Platz finden. Wenn mehr Serverschränke untergestellt werden sollen, als es der vorhandene Raum erlaubt, muss die vorhandene Anlage umgebaut werden, an einem anderen Standort neu gebaut werden, oder es sind Räume anzumieten.
…
Was will die Universität?
An der Universität Freiburg hat 2021 ein vollständiger Wechsel der Leitung stattgefunden. Auch der Posten des CIO der Universität wurde neu besetzt. Zu der Strategiediskussion, die auch Überlegungen zur Infrastruktur einschließt, trägt das Rechenzentrum als zentrale Einrichtung für IT-Dienste bei.
…
Beschleunigung
Mit der multifaktoriellen Krise im Jahr 2022, die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verschärft wurde, müssen Entscheidungen schneller gefällt werden, als die bisherigen Planungs- und Beteiligungsprozesse das vorsehen.
Mit der Energiekrise fällt die Pufferung aus langen Entscheidungsprozessen weg. Statt einer jahrelangen Aushandlung müssen akute Folgen von Mangellagen bewältigt werden. Prioritäten müssen innerhalb von Tagen umgesetzt werden, wenn weniger Strom zu verteilen oder mit einer deutlichen Erhöhung der Bezugspreise zu rechnen ist. Die Universität Freiburg ist nicht als sogenannte kritische Infrastruktur eingestuft, die in Krisenlagen garantiert beliefert wird. Die Kennzeichnung als eine solche leitet sich aus Gesetzen ab, die die Bedeutung von Infrastrukturen zu fassen versucht, die sie für die Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland haben.
…
Maßnahmen
Über den Einstieg der Notfallszenarien rücken auch die Maßnahmenpakete in den Fokus, mit denen die Energieversorgung an die erwartete Zukunft angepasst wird. Die Zuspitzung der aktuellen Krise schärft die Sicht auf die Folgen von Verschwendung bei abnehmenden Ressourcen.
Konsolidierung der Infrastrukturen
Zum Geschäft des Rechenzentrums gehört die fortlaufende Modernisierung des Maschinenparks. Mit der Verschiebung von dezentralen IT-Geräten zu Clouddiensten – ein genereller technischer Trend – ändert sich das Portfolio an Diensten. Tätigkeiten wie das Speichern von Daten finden nicht mehr im Büro statt, sie wandern stattdessen auf größere Systeme. Und aus kleineren Servern für Arbeitsgruppen werden solche, die in virtuellen Maschinen laufen, die auf zentralen Systemen einen Bruchteil der Energie benötigen. Diese Verschiebung ist in vollem Gange und unumkehrbar. Das Potenzial ist an der Universität Freiburg bei weitem noch nicht ausgereizt.
…
Verbesserung der Kühleffizienz
Optimierungen sind ebenso auf dem technischen Level noch nicht ausgereizt. Auch hier ermöglicht der Fortschritt eine bessere Ausbeute der eingesetzten Energie. Anstehende Neubauten und Renovierungen können genutzt werden, um von älteren Techniken wie der Umluftkühlung abzugehen, wie sie vor zwei oder drei Jahrzehnten üblicherweise eingebaut wurden. Inzwischen wird, wenn es auf hohe Kühlleistung ankommt, bevorzugt Wasserkühlung eingesetzt, mit der sich Wärme besser abführen lässt. Die Eingriffe in die bauliche Substanz sind erheblich. Eine Umrüstung spielt sich im Zeithorizont ab, der für den Bereich Bau beschrieben wurde. Die Abfuhr von Wärme ist eine weitere Herausforderung: Diese muss in der einen oder anderen Form an die Umwelt abgegeben werden. Eine Variante ist die Abgabe über eine Grundwasserkühlung, eine andere der Einsatz von Wärmetauschern neben dem Gebäude oder auf dem Dach. Wünschenswert wäre es, die Wärme an anderer Stelle nachzunutzen.
…
Code- und Energieeffizienz
Die bislang vorgestellten Maßnahmen zielen darauf, mit der Gestaltung der Umgebung, über die zeitgemäße IT-Dienste ausgeliefert werden, Energie besser zu nutzen. Ein weiterer Hebel ist, die Art weiterzuentwickeln, wie Energie in Rechnen umgesetzt wird. Dieser Grundgedanke liegt dem Ausschreibungskriterium zugrunde, mit dem in Beschaffungen, beispielsweise für das Hochleistungsrechnen, sparsame Komponenten vorgegeben werden. Der Gedanke, sparsam zu rechnen, kann ausgedehnt werden auf die Nutzung der Prozessoren. Folgt zu Beginn der 2020er-Jahre das Scientific-Computing dem Peak-Performance-Paradigma, nach dem unter hohem Aufwand das technische Maximum ausgereizt wird, muss man sich vor Augen führen, dass dieses Streben nach den letzten Prozent Leistung unverhältnismäßig Energie frisst. Optimierung der Energieausbeute liegt mehr im intelligenten Scheduling. Computer rechnen auch nachts ohne Schichtzuschlag.
…
Empfehlungen
Das Reagieren auf aktuelle politische Entwicklungen und Vorgaben und die Vorbereitung auf weitere Zuspitzungen in der Energiekrise verdeutlicht zusätzlich, wie sich Infrastrukturplanungen verändern müssen, um auch unter veränderten Rahmenbedingungen die Aufgaben einer Hochschule zu erfüllen.
…
Fazit
Während es zu Zeiten billiger Energie einfacher war, Kapazitätsanforderungen mit Masse zu erschlagen, sind zunehmend intelligentere, integrierte Lösungen gefragt, die qualifiziertes Personal und systemische Planung mit Verständnis für die technischen Gegebenheiten erfordern.
Aus Sicht der Autoren ist es kurzfristig für eine effizientere Energienutzung sinnvoll, die Kosten für Großverbraucher: innen transparent zu machen. In der Breite ist ein Umzug bislang physischer Systeme in die Virtualisierung ein Weg, ohne Einbußen in der Leistung Einsparungen zu realisieren.
Mittelfristig muss begonnen werden, die Folgekosten für Energie stärker in die Planung zu integrieren. Dies gilt nicht nur für große Infrastrukturentscheidungen, sondern besonders auch für die vielen kleinen autonomen Entscheidungen.
Das ist der Einstieg in die langfristig anzustrebende Neujustierung von dezentralen IT-Systemen und zentral betriebenen Infrastrukturen, die stärker auf Skaleneffekte von Cloud-Computing setzt und leidenschaftslos neue Formen der Arbeitsteilung nutzt, die externe Anbieter integriert.
- Der komplette Artikel ist im ► Onlineshop von Lemmens Medien erhältlich. Den Abonnenten der Zeitschrift Wissenschaftsmanagement steht der gesamte Beitrag in ihren Accounts zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Dirk von Suchodoletz ist Interims-Co-Direktor des RZ und Leiter Abteilung eScience am Rechenzentrum der Universität Freiburg.
Jan Leendertse ist Ansprechperson der „Research Data Management Group“ an der Universität Freiburg.