Fusionsprozesse an künstlerischen Hochschulen
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Governance & Management
Fusionsprozesse an künstlerischen Hochschulen

Seit den 1990er-Jahren wurden in verschiedenen Hochschulen und Bundesländern Reformprozesse eingeleitet (Steinheimer 2005, 48), die in den Nullerjahren, zusätzlich verstärkt durch den Finanzdruck der Länder, ihren vorläufigen Höhepunkt fanden. „Die deutsche Hochschullandschaft steht vor einer Welle von Schließungen und Fusionen“, schreibt Christoph Mohr bereits 2003 (Mohr 2003) und formuliert noch drastischer: „Leere Kassen, teure Unis – in der deutschen Hochschullandschaft geht der Sensenmann um. Auf dem Programm: Schließung von Studiengängen, Verlegungen und Fusionen.“
Fusionen als Chance
Nachdem man in Niedersachsen (die Fusion der Universität Lüneburg und der Fachhochschule Nordostniedersachsen und deren Zusammenführung zur gemeinsamen Stiftung Universität Lüneburg im Jahr 2005 gilt als Modellversuch auf dem Gebiet der Hochschulreform) beispielgebend vorangegangen war, nahm die Anzahl an Hochschulfusionen in ganz Deutschland erheblich an Fahrt auf, mit ganz und gar unterschiedlicher Zielstellung. In der offiziellen Debatte standen zumeist die Schaffung größerer und leistungsfähigerer Einheiten, das Erreichen oder Überschreiten kritischer Größen oder Wirtschaftlichkeitsüberlegungen im Vordergrund der Fusionsbestrebungen (Battke/Cremer-Renz 2006, 129).
Weitaus seltener hingegen wurde und wird aus strategischer Sicht darüber diskutiert, dass Zusammenschlüsse auch eine Möglichkeit eröffnen können, Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und den so entstandenen neuen Verbund innerhalb des Gesamtkanons der Hochschulen sichtbarer zu machen. Dieser Überlegung bereiten Battke und Cremer-Renz den Boden, indem sie formulieren: „Hochschulfusionen […] sind heute politische Antworten auf die Fragen nach Zugängen zu neuen Bildungsmärkten. Ausnutzen von Synergieeffekten, Erweiterung beziehungsweise Erneuerung von Produktportfolios, Steigerung der Forschungs- und Lehrpotenziale, Aufbau eines Systems der Qualitätsverbesserung und effiziente, serviceorientierte Hochschulverwaltungen sind entsprechend zentrale Ziele, die mit der Fusion von Hochschulen (oder Teilen davon) verbunden werden.“ (Battke/Cremer-Renz 2011, 8).
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Fazit
Die vorstehend beschriebenen Beispiele scheinen geeignet zu zeigen, unter welchen Voraussetzungen Fusionen gelingen und künstlerische wie wissenschaftliche Leistung und Strahlkraft der einzelnen Institution vervielfachen können, ohne die Kernmarke zu beschädigen.
Ob Fusionen erfolgreich verlaufen oder als Misserfolg eingestuft werden, ist abhängig von vielen Faktoren: Von Visionen und klarer Zielsetzung, dem Gestaltungswillen des Gesetzgebers, von Finanzierungssicherung und der systematischen Planung struktureller Änderungen, von der Aktivierung und Beteiligung der Beschäftigten sowie dem Aufbau eines neuen Leitungssystems und einer neuen Organisationskultur (Cremer-Renz 2011, 7).
Strebt die einzelne Hochschule die Fusion aus sich selbst heraus an oder spielen externe Forderungen, zum Beispiel nach Einsparungen oder Effizienzgewinn als Auslöser eine Rolle? Ist die Fusion intrinsisch oder extrinsisch motiviert? Wollen alle Beteiligten eine engere Zusammenarbeit und mit welchem Ziel? Welches ist die Vision für die Zukunft?
Kunsthochschulen sind bereits seit längerer Zeit – und werden es in den kommenden Jahren zunehmend sein – Gegenstand von Fusionsüberlegungen. Zu oft stehen dabei Effizienz- und Effektivitätsbestrebungen sowie Überlegungen zu Einsparungen aufgrund geringer Studierendenzahlen, kleiner Budgets, zunehmend veralteter Strukturen in Verwaltung und künstlerischer Lehre sowie der Unfähigkeit, den wachsenden Anforderungen aus der Umsetzung des Bologna-Prozesses, einem Mehr an Autonomie oder der Neuen Hochschulsteuerung etwas entgegensetzen zu können – im Vordergrund.
Zu selten (noch) finden sich Hinweise auf (echte) Kooperationsbestrebungen zur Entwicklung transdisziplinärer Angebote oder die Hinwendung zur (gemeinsamen, fächerübergreifenden) künstlerischen Forschung. Zu oft entziehen sich Kunsthochschulen mit der Begründung ihrer Einmaligkeit und Besonderheit dieser Diskussion, manifestieren sich Beharrungsmentalität und Abgrenzung der eigenen künstlerischen Ausbildung zu Lasten von strategischer Entwicklung, Konkurrenzfähigkeit und Strahlkraft.
Erfolgreiche (zumeist internationale) Fusionsmodelle zeigen, wie aus dem (überzeugenden) Zusammenspiel von intrinsischem Motiv und externer Unterstützung Neues, Zukunftsfähiges entstehen kann. Die Debatte um Hochschulfusionen wird in Folge der aktuellen Situation und vor dem Hintergrund zunehmender Digitalisierungsprozesse weiter an Fahrt aufnehmen. Warum nicht einer solchen Debatte mit einer strategischen Diskussion zuvorkommen und dabei insbesondere die Qualität und die Weiterentwicklung des Lehrangebotes als Motiv in den Blick nehmen? Die im Kontext von Fusionen entstandene Zürcher Hochschule der Künste und die Stockholm University of the Arts sind hervorragende Beispiele für die Umsetzung erfolgreicher strategischer Ideen.
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Eileen Mühlbach (M.A.) ist seit 2017 Kanzlerin der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden. Seit 15 Jahren arbeitet sie für die Sächsische Landesverwaltung, davon 10 Jahre in der Verwaltung von Kunsthochschulen.
Foto: Konvex Fotografie