Die Frage der Vereinheitlichung
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Aktuelle Diskussion - Forschungsrating Geisteswissenschaft
Die Frage der Vereinheitlichung

Die Frage, ob derartige Vereinheitlichungen tatsachlich sinnvoll, möglich oder – radikaler gefragt – überhaupt wünschenswert sind, konnte angesichts der bevorstehenden Bologna- Folgekonferenz im Mai 2015 in Eriwan wie die viel zitierte dortige Radiostation beantwortet werden: „Im Prinzip ja, aber …“. Denn um die betreffende Frage mit einem eindeutigen „ja“ beantworten zu können, musste eine ganze Reihe von Bewertungsaspekten geklärt werden, von denen nachfolgend nur zwei angeführt seien:
- Ziel aller forscherischen Tätigkeiten ist der Erkenntnisfortschritt, das heißt die Generierung neuen Wissens. Neues Wissen kann dabei durch Be-/Erforschung eines völlig neuen oder noch nicht vollständig untersuchten Forschungsfeldes entstehen. Zu klaren wäre nun, ob die Qualität des Erkenntnisfortschritts, die durch Be-/Erforschung eines völlig neuen Forschungsfeldes erzielt wurde, hoher, gleich oder geringer zu bewerten ist, als die Qualität des neuen Wissens, das durch die Be-/ Erforschung eines noch nicht vollständig untersuchten Forschungsfeldes generiert wurde. Eine generelle Klärung dieses Bewertungsaspektes durfte – auch bei einer unterstellten gleichen Quantität des Erkenntnisfortschritts in beiden Fällen – wohl kaum möglich sein, da es für die Qualität des Erkenntnisfortschritts als solche schon keine „Maßeinheit“ gibt. Folglich wird es dem Einzelfall überlassen bleiben müssen, welcher Erkenntnisfortschritt in welchem Forschungsfeld hoher zu bewerten ist.
- Auch in den Geisteswissenschaften soll vom erzielten Erkenntnisfortschritt grundsätzlich nicht nur die betreffende Disziplin, sondern im weitesten Sinne auch die Gesellschaft profitieren. Von daher kommt dem „Erkenntnis- oder Wissenstransfer“ eine herausragende Bedeutung zu. Zu klaren wäre nun, ob eine geisteswissenschaftliche Forschungsleistung hoher zu „raten“ ist, wenn bei ihrem Transfer eine größere Reichweite und/oder ein größerer „impact“ erzielt werden. Auch in Bezug auf diesen Bewertungsaspekt wird es wohl kaum eine generelle Klärung geben können, zumal die Werte der Indikatoren „Reichweite“ und „impact“ selbst kaum zuverlässig ermittelbar sind. Folglich wird es wiederum dem Einzelfall überlassen bleiben müssen, welche Wirkung eines Erkenntnistransfers hoher zu bewerten ist.
Fazit
Schon die Erörterung dieser beiden Bewertungsaspekte macht deutlich, dass ein „Rating“ geisteswissenschaftlicher Forschungsergebnisse nach vereinheitlichten Zielen und Kriterien kaum möglich sein wird, da unterschiedliche Akteure jeweils unterschiedliche Interessen verfolgen und somit unterschiedlich „raten“. Dennoch sollte man „nie nie sagen“, weshalb die Standardantwort von Radio Eriwan Anlass gibt, die Ausgangsfrage dieses Kommentars im Lichte neuerer Erkenntnisse immer wieder zu erörtern.
Foto: Universität Siegen
Einen weiteren Beitrag zum Thema "Forschungsrating" und Beiträge zum Schwerpunkt "Forschungsergebnisse & Wissenschaftsmanagement" lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von WISSENSCHAFTSMANAGEMENT.