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Berechtigte Klagen

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K. Rüdiger Durth

Kommentar

Berechtigte Klagen

Bei mangelnder Allgemeinbildung und Mogeln im Studium endlich energisch gegensteuern

Gefälschte wissenschaftliche Ergebnisse ziehen in der Regel berechtigte Sanktionen der wissenschaftlichen Gesellschaften nach sich und weithin abgeschriebene Promotionsarbeiten nicht nur ihre Aberkennung, sondern auch Schlagzeilen in den Massenmedien. Doch das alles sind – zum Glück – Ausnahmen. Die Hochschulen kämpfen freilich mit ganz anderen Problemen, deren Auswirkungen für die Gesellschaft erheblich problematischer, ja gefährlicher sind: Die zunehmend von Professoren beklagte mangelnde Vorbildung der angehenden Studierenden und das offensichtlich unter Studierenden als normal geltende Pfuschen bei Klausuren und Seminararbeiten.

Nun sind diese Klagen nicht neu und immer, wenn ein neues Hochschulsemester beginnt, haben sie Konjunktur. Und wer ehrlich zu sich selbst ist, wird sich eingestehen, dass er während seines Studiums auch schon einmal vom Hörsaalnachbarn abgeschrieben hat. Doch darum geht es heute nicht mehr. Da klagt der Vorsitzende des Philosophischen Fakultätentages, Professor Gerhard Wolf von der Universität Bayreuth im „Spiegel“ nach der Auswertung einer anonymen Umfrage unter seinen Kollegen über mangelnde Kenntnisse der Studierenden in Rechtschreibung, Grammatik, Syntax, Interpunktion, Umgang mit den Tempora und dem Wortschatz. Aber auch die Allgemeinbildung sei bei manchen Studierenden „erschreckend“: „Einige glauben, der Zweite Weltkrieg habe im 19. Jahrhundert stattgefunden.“ Und die „Zeit“ zitiert den Projektleiter der im Auftrag des Bundesbildungsministeriums von der Universität Bielefeld durchgeführten Fairuse-Studie über die Ehrlichkeit studentischen Arbeitens, Sebastian Sattler. „Die Mehrheit, rund 80 Prozent der Studierenden, bedient sich zumindest im Laufe eines Semesters unerlaubter Mittel, schreibt also einen Spickzettel, schaut in die Klausur vom Nachbarn oder gibt ein Plagiat ab.“ Die Unterschiede in den einzelnen Fakultäten sind zum Teil gravierend. So schreiben Medizinstudenten mehr Klausuren als beispielsweise Studenten der Geisteswissenschaften, die mehr Plagiate als Hausarbeiten abliefern. Mehr als zwei von drei Medizinstudenten schreiben bei Klausuren von einander ab. Sattler im „Zeit“-Interview: „Das halte ich für einen prekären Wert. Stellen Sie sich vor, dass sich Ihr Arzt durch Studium gemogelt hat und jetzt über Ihre Gesundheit, womöglich sogar über Leben und Tod entscheiden muss. Ich weiß nicht, ob man sich da gut aufgehoben fühlt.“ Das alles gilt auch für andere Studienfächer: Wie will ein Geschichtslehrer von seinen Schülern eine Mindestzahl historischer Daten verlangen, wenn er sie sich im Studium selbst ermogelt hat? Wie ist es um die Kompetenz eines Biologielehrers bestellt, der in seinem Studium mehr vom Nachbarn abgeschrieben als selbst gepaukt hat? Ganz zu schweigen von der Kompetenz eines Juristen, der sich durch die Welt der Paragraphen gemogelt hat, oder der eines Volkswirtes, der sich vor allem auf das Wissen seiner Kommilitonen oder die Nachsicht seiner Professoren verlassen hat. Nun nutzt das Klagen über diese Zustände recht wenig, zumal sie nicht neu sind. Neu ist wahrscheinlich das große Ausmaß von Unkenntnis und Mogeln. Was ist zu tun? Zunächst einmal sind die Klagen der Professoren und das ehrliche Eingeständnis der Studenten ernst zu nehmen. Man macht s sich zu leicht, wenn man darauf hinweist, dass sich durch den Computer das Lernen verändert hat. Verändert hat sich vor allem, dass zum Schreiben und Rechnen der Umgang mit dem PC als Grundlage des Lernens gekommen ist. Aber wer die Rechtschreibung nicht beherrscht, für den das Rechnen ein „Buch mit sieben Siegeln“ ist (wobei die meisten Studenten heute wahrscheinlich gar nicht mehr wissen, woher dieser Begriff stammt) und der nicht über ein halbwegs gutes Allgemeinwissen verfügt, kann auch nicht mit dem PC umgehen. Denn dieser wird auch in Zukunft darauf angewiesen sein, dass man ihm die richtige Frage in der richtigen Schreibweise stellt. Zum einen sind die Gymnasien gefordert, wieder mehr Wert auf eine solide Bildung zu legen und die Studierfähigkeit ihrer Absolventen zu verbessern. Zum anderen sind die Hochschulen gefragt, bereits in den ersten Studiensemestern sauberes wissenschaftliches Arbeiten wie Recherchieren, Zitieren, verständliches Darstellen und klare eigene Positionen einzuüben und die Ethik des wissenschaftlichen Arbeitens kompromisslos zu verteidigen. Ich erinnere mich gern an einen meinen Bonner Professoren, ein hochgeschätzter Vertreter seines Fachs: „Die Proseminare mache ich grundsätzlich selbst. Die Hauptseminare überlasse ich dann schon lieber meinen Assistenten, dort können sie nicht mehr viel verderben.“ Eine altmodische Sicht? Wohl kaum. Denn die immer lauter geäußerten Klagen über die mangelnde Studierfähigkeit und ethische Einsicht in wissenschaftliches Arbeiten sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Bei allem Warnen vor Verallgemeinerungen, Gymnasium und Hochschule sind gefragt, wollen sie auch in Zukunft ihrem Anspruch gerecht werden. Einem Anspruch, auf den die Gesellschaft Anspruch hat. Denn sie lässt sich beide viele Milliarden Steuergelder kosten, damit sie mit guten Ärzten und Lehrern, Juristen und Volkswirten, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern versorgt wird.