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Förderung wissenschaftlicher Exzellenz

news

Johannes M. Henn

Exzellenzbegriff

Förderung wissenschaftlicher Exzellenz

Diskurse und Deutungshoheit im Kontext der deutschen Wissenschaftspolitik

In der deutschen Wissenschaftspolitik ist oft der Ruf „Wir wollen mehr Exzellenz!“ zu vernehmen. Doch was genau bedeutet Exzellenz, und wer bestimmt darüber? Diese Frage gewinnt im Kontext der bevorstehenden Auswahlrunde der Exzellenzstrategie der Bundesregierung sowie den anstehenden Planungen zum 10. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union an Bedeutung. Der vorliegende Beitrag beleuchtet den Exzellenzbegriff durch eine Korpusanalyse politischer Reden und Artikel aus der Wochenzeitung DIE ZEIT. Zudem wird auf Alleinstellungsmerkmale des Europäischen Forschungsrats (ERC) eingegangen. Neueste Forschungspublikationen bieten spannende Einblicke in dessen Evaluierungspraxis. Es kristallisiert sich die zentrale Frage heraus, ob die Wissenschaft oder andere Akteure die Deutungshoheit darüber innehaben, was exzellente Forschung ausmacht.

Foto: Griesch/MPP

Das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (DWDS) gibt zwei Verwendungen von Exzellenz an. Erstens als Titel oder Anrede, besonders im diplomatischen Verkehr, und zweitens, abgeleitet von der lateinischen Herkunft des Wortes, im Sinne herausragender Fähigkeiten, mit wissenschaftlicher Exzellenz als Beispiel. Eine Häufigkeitsanalyse im DWDS-Zeitungskorpus, der über 23 Millionen Einträge ab 1945 umfasst, gibt weitere Erkenntnisse. Die häufigsten Wortkombinationen – Exzellenzinitiative, Exzellenzcluster, Exzellenzwettbewerb und Exzellenzuniversität – sind alle der zweiten Wortbedeutung zuzuordnen. Die in Kombination am häufigsten verwendeten und nach Frequenz geordneten Adjektive sind: wissenschaftlich, akademisch, operativ, künstlerisch und fachlich. Abbildung 1 zeigt, dass die Nutzung von Exzellenz ab circa dem Jahr 2000 zunimmt, und dies besonders deutlich in Form von Wortkombinationen. Dies unterstützt die Vermutung, dass die Zunahme der letzteren Verwendung des Wortes mit dem Beginn der Debatten über die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen korreliert. Die Abbildung 2 veranschaulicht diesen Zusammenhang besonders deutlich: Während vor 1990 Exzellenz und Wissenschaft kaum gemeinsam erwähnt wurden, steigt die Häufigkeit ihres gemeinsamen Vorkommens um das Jahr 2000 deutlich an und erreicht um 2007 einen Höhepunkt.

Vergleich der Häufigkeit (Zahl der absoluten Treffer, vertikale Achse) des Auftretens der exakten Form von „Exzellenz“ (grün, gestrichelte Linie) und in Wortkombinationen (rosa, durchgezogene Linie) im DWDS-Zeitungskorpus

Abb. 1: Vergleich der Häufigkeit (Zahl der absoluten Treffer, vertikale Achse) des Auftretens der exakten Form von „Exzellenz“ (grün, gestrichelte Linie) und in Wortkombinationen (rosa, durchgezogene Linie) im DWDS-Zeitungskorpus

Verlaufskurve der Häufigkeit (Zahl der absoluten Treffer, vertikale Achse) des gemeinsamen Auftretens von „Exzellenz“ und „Wissenschaft“ im DWDS-Zeitungskorpus

Abb. 2: Verlaufskurve der Häufigkeit (Zahl der absoluten Treffer, vertikale Achse) des gemeinsamen Auftretens von „Exzellenz“ und „Wissenschaft“ im DWDS-Zeitungskorpus

Um qualitative Daten zu erhalten, wurden die kleineren, aber für die Diskussion relevanten DWDS-Korpora der Wochenzeitung DIE ZEIT (1946–2017) sowie „Politische Reden“ (1982–2020) untersucht.

Die Korpusanalyse liefert wertvolle Beiträge zu verschiedenen Dimensionen des Exzellenzbegriffs, wie die folgenden Beispiele mit Kontext Wissenschaft illustrieren:

Internationaler Wettbewerb um Exzellenz: Edelgard Bulmahn formulierte dies in einer Rede vom 20.01.2004 so: „Exzellenz in Bildung und Forschung wird heute nicht mehr regional und national definiert, sondern international.“ Annette Schavan betonte in ihrer Rede vom 01.12.2005: „Wenn wir auf Exzellenz setzen, sind wir attraktiv für die weltweit Besten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung.“

Wahl der Forschungsfragen: Exzellenz wird mit wissenschaftsgeleiteter Wahl der Forschungsfragen assoziiert, wie der folgende Korpusbeleg illustriert: „Die Wissenschaft dient der Gesellschaft immer dann am besten, wenn sie kompromisslos nach Exzellenz strebt. Den Weg in die Wirtschaft und in die Gesellschaft werden die Resultate dann schon von selbst finden.“ (DIE ZEIT, 08.11.2001, Nr. 46)

Forschungsförderung nach Exzellenzkriterien: Als Beispiel für Mittelvergabe nach Exzellenzkriterien nennt Angela Merkel in einer Rede vom 02.07.2014: „[…] die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die als eine der größten Förderorganisationen der Wissenschaft und als Selbstverwaltungsorganisation die Idee wissenschaftlicher Freiheit, Selbständigkeit und Exzellenz geradezu verkörpert.“ Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gibt in einer Stellungnahme von 2011 Hinweise zu einer Definition von Exzellenz: „So sollte allein die wissenschaftliche und technische Exzellenz der Projekte (durch unabhängige Gutachter geprüfte Qualität in der Grundlagenforschung und gegebenenfalls ergänzt um Aspekte der Wettbewerbsrelevanz bei anwendungsnahen Vorhaben) für eine Förderentscheidung maßgeblich sein. Unter keinen Umständen darf die Förderung von Exzellenz mit Kohäsionsmaßnahmen vermischt oder zugunsten von Kohäsionszielen aufgeweicht werden.“

Erfolgsmerkmale des Europäischen Forschungsrats

Mit der Gründung des ERC im Jahr 2007 haben die politischen Entscheidungsträger Weitsicht bewiesen und eine einzigartige Institution geschaffen, die unter dem Namen „frontier research“ erkenntnisorientierte Forschung auf europäischer Ebene fördert. Der Name ist dem Titel des bekannten Artikels von Bush (1945) entliehen und vermeidet die schwierige Differenzierung zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung.

Operationalisierung von Exzellenz in der Evaluation von Projektanträgen

Lamont (2009) hat die Arbeit wissenschaftlicher Gutachtergremien untersucht und zum Erkennen verschiedener Arten von Exzellenz häufig verwendete Kriterien festgehalten. Diese beinhalten

  • Klarheit …
  • Qualität …
  • Originalität …
  • Relevanz und Tragweite …
  • Methoden …
  • Durchführbarkeit …

Wertvolle spezifische Einblicke in die Evaluierungspraxis des ERC geben die auf qualitativen Interviews mit Panelmitgliedern der verschiedenen Forschungsfelder beruhenden Untersuchungen von Brunet und Müller (2022). Es werden vier Bewertungshilfsmittel identifiziert:

  1. Delegation …
  2. Kalibration …
  3. Bewertung der Artikulation …
  4. Bewertung der Beiträge …

Aufgrund der hohen Anzahl an Anträgen herrschen extrem wettbewerbsintensive Bedingungen. Aus diesem Grund verwenden Gutachter: innen die Bewertungshilfsmittel sequenziell, beginnend mit denjenigen, die eher geeignet sind, bestimmte Anträge auszusortieren. Dabei helfen Delegations-Hilfsmittel als Indikator für die Durchführbarkeit von Projekten, können aber auch den von Merton (1973) beschriebenen Matthäus-Effekt (also, dass Fördermittel auf wenige Forschende konzentriert werden) verstärken. Insofern ist es interessant, festzustellen, dass der ERC angekündigt hat, in künftigen Auswahlrunden das Forschungsprojekt im Vergleich zum wissenschaftlichen Werdegang stärker zu gewichten – unter Beibehaltung von Exzellenz als einzigem Auswahlkriterium. Es ist anzunehmen, dass dies dabei helfen kann, den unerwünschten Matthäus-Effekt abzuschwächen.

Fazit

Die Analyse deutschsprachiger Korpora liefert Hinweise darauf, dass die Verwendung des Exzellenzbegriffs eng mit der Exzellenzinitiative verknüpft ist und hauptsächlich im akademischen Bereich Anwendung findet. Statt eine Definition zu geben, beziehen sich viele Akteure auf den ERC, als Inbegriff wissenschaftlicher Exzellenz. Auf qualitativen Interviews beruhende Studien geben aufschlussreiche Erkenntnisse darüber, wie Exzellenz in der Praxis umgesetzt wird. Trotz der grundsätzlichen Herausforderungen bei der Forschungsevaluation zeichnet sich der ERC durch eine transparente Kommunikation seiner Bewertungskriterien aus.

 

  • Der komplette Artikel ist im ► Onlineshop von Lemmens Medien erhältlich. Den Abonnenten der Zeitschrift Wissenschaftsmanagement steht der gesamte Beitrag in ihren Accounts zum kostenlosen Download zur Verfügung.

 

Prof. Dr. Johannes M. Henn ist seit 2018 Direktor am Max-Planck-Institut in Physik. Der vorliegende Artikel (Auszug) basiert auf seiner Masterarbeit an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.

Foto: Griesch/MPP