Wissenschaftskommunikation – Für wen und warum?
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Wissenschaftskommunikation – Für wen und warum?

Und die Wissenschaft war gefordert, eine Tätigkeit in den Vordergrund zu stellen, die sie sonst zumindest in vielen Bereichen – und natürlich hier überspitzt, um einen Punkt zu setzen – eher als eine Nebentätigkeit für Willige ansah. Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Fachrichtungen sahen sich plötzlich dazu aufgefordert, die Politik zu beraten. Pressestellen von Universitäten und Forschungseinrichtungen mussten rasend schnell Forschungsergebnisse aufbereiten und zur Verfügung stellen und gleichzeitig mussten viele der bisherigen Formate aus dem analogen in den digitalen Raum gehoben werden und das eigene Arbeitsleben wurde fast schon nebenbei auch noch auf den Kopf gestellt.
Die Wissenschaftskommunikation tat und machte, und doch bleiben im Jahr 2022 – also im dritten Jahr der Pandemie – viele Fragezeichen, wenn es um die Zukunft des Feldes geht und wenn es darum geht, zu bewerten, wie sich die Wissenschaft nun geschlagen hat, in Sachen Kommunikation. Zunächst zum Positiven: Die Bereitschaft vieler Wissenschaftler:innen schnell und aktiv zu kommunizieren war in der Pandemie vielfach beeindruckend und ihr Engagement ein großer Mehrwert für die Wissenschaftskommunikation. Bedeutsam ist dies insbesondere, weil Wissenschaftler:innen als authentische Botschafter:innen für Methoden, Prozesse und Werte der Wissenschaft entscheidend dafür sind, jenes informiertes Vertrauen in Wissenschaft und Forschung aufzubauen und zu stabilisieren, welches wir so dringend brauchen. Ein informiertes Vertrauen und die Fähigkeit, wissenschaftliche Prozesse zu verstehen und auszubilden, sind elementar, um Menschen zu befähigen, Entscheidungen über die Zukunft unserer Gesellschaft zu treffen.
Und schon kommen wir zur ersten großen Schwachstelle der Wissenschaftskommunikation, die die Pandemie offenbart hat. Das so bedeutsame Wissen über die Funktionalität der Wissenschaft und ihre Rolle im Zusammenspiel mit der Politik scheint noch nicht angekommen in einem großen Teil der Bevölkerung und auch in manchen Medien, wie viele der Social-Media-Debatten während der Pandemie zeigten. Ein Grund: Das ungebrochen hohe Maß an Reputationskommunikation, das nach wie vor die Berichterstattung aus der Wissenschaft dominiert. Hier klafft eine riesige Lücke zwischen Meinungsartikeln, Diskursen auf Fachtagungen, politischen Statements und der Realität.
Wissenschaftskommunikation im Rampenlicht
Insgesamt ist Wissenschaftskommunikation vielerorts näher an die Chefebene der Forschungseinrichtungen und Universitäten gerückt, wie neu geschaffene Chief of Communication Officer-Stellen und die Beteiligung des Wissenschaftsmanagement, der Politik und der Leitungen von Forschungseinrichtungen und Universitäten an den öffentlichen Debatten zeigen. Eine positive und von vielen Expert:innen geforderte Entwicklung sollte man meinen. Allerdings bleibt beim genaueren Hinsehen eine Frage offen: Geht die Annäherung an die Chefebenen auch mit einer strategischeren Kommunikation einher und falls ja, an wem orientiert sich die Strategie, die dort verfolgt wird?
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Sinn und Zweck von Wissenschaftskommunikation
Das neue Rampenlicht führt zwar auf der einen Seite zur größeren Beschäftigung mit der Wissenschaftskommunikation auf der Führungsebene, es führt aber auch dazu, dass der Sinn und Zweck von Wissenschaftskommunikation neu diskutiert wird. Wo man sich in der Fachcommunity relativ einig ist, dass gemeinwohlorientierte Kommunikation – also jene Wissenschaftskommunikation, die sich an den Bedürfnissen und Nutzen der Gesellschaft orientiert – gefördert werden sollte, stellt man sich auf der Führungsebene oft die Frage: Und was bringt das meiner Organisation?
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Walk the talk
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, braucht es ein „walk the talk” – in der Politik und dann auch in den Wissenschaftsorganisationen. Denn die nationalen und internationalen Expert:innen im Bereich sind sich weitestgehend einig, welche Art von Wissenschaftskommunikation gestärkt werden sollte. Nun sollte es ein gemeinsames Commitment für eine gemeinwohlorientierte Wissenschaftskommunikation geben, deren Ziele und Strategie gemeinsam formuliert werden. Diesen Ansatz verfolgte unter anderem die sogenannte #FactoryWisskomm, ein vom BMBF 2020 ins Leben gerufener Strategieprozess, der 2022 in eine zweite Runde geht. Allerdings gelang es hier nicht, über die Wert- und Zielkonflikte zu sprechen, die oben aufgezeigt wurden. Diese impliziten und ungelösten Konflikte behinderten im Verlauf des Prozesses immer wieder die gemeinsame Arbeit auf der Arbeitsebene.
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Fazit
Vertrauen ist in diesen Zeiten der größte Vermögenswert der Wissenschaft, wie die Coronapandemie eindeutig gezeigt hat. Um es langfristig auszubauen, gilt es, nicht dem kurzfristigen Ruf des Geldes zu folgen, sondern nachhaltige Strukturen für eine gemeinwohlorientierte Wissenschaftskommunikation zu etablieren und gemeinsame Ziele zu verfolgen.
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Markus Weißkopf war bis zum September 2022 Geschäftsführer von „Wissenschaft im Dialog“.
Rebecca Winkels ist Bereichsleiterin Kommunikation und Strategie bei der Wissenschaft im Dialog. gGmbH in Berlin.