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Wenn Hochschulmanagement aus der Zeit fällt

news

Ewald Scherm

Meinung

Wenn Hochschulmanagement aus der Zeit fällt

Fünf Thesen, ein Fazit

In loser Folge möchte die Zeitschrift und Plattform Wissenschaftsmanagement einen bewusst kritischen Dialog zur weiteren Entwicklung der Themen Governance, Management für Hochschulen, Institute, Zentren und die Wissenschaft und Forschung insgesamt anregen. Den Auftakt machten unter anderem PD Dr. Veith Selk, Politikwissenschaftler an der TU Darmstadt (2019), gefolgt von Dr. Jochen Gimmel, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sonderforschungsbereich 1015 Muße: Grenzen, Raumzeitlichkeit, Praktiken an der Universität Freiburg (2021). Professor Dr. Ewald Scherm, FernUniversität in Hagen, setzt nun 2022 die Einlässe fort – weitere Pro- und Contra-Stimmen zum erreichten oder falsch erreichten „Management für die Wissenschaft” werden folgen.
Foto: Hardy Welsch

Größere Organisationen in dynamischen Umwelten außerhalb des Hochschulsystems experimentieren seit Jahrzehnten mit Managementkonzepten, die sich trotz Unterschieden im Detail durch Dezentralisierung, individuelle Autonomie, Selbstorganisation und Selbstverantwortung auszeichnen. Demgegenüber wurde den Hochschulen ein Modell verordnet, das dieser Entwicklung entgegenläuft. Außerdem scheinen alle Beteiligten einer weiteren Zentralisierung und Hierarchisierung nichts entgegensetzen zu wollen, obwohl die akademische Selbstverwaltung in Gremien nicht dem Selbstzweck, sondern dem Wohle der Hochschulen und der Wissenschaft dient.

These 1: Das aktuelle Managementmodell ignorierte nicht nur von Anfang an die universitären Besonderheiten, man übertrug auch dessen universitätsinterne Ausgestaltung Dilettanten.

Schon rund zwei Jahrzehnte wird das Management deutscher Universitäten von einem Modell geprägt, mit dem man vorher die öffentliche Verwaltung beglückte. Die staatliche Seite zog sich aus der Detailsteuerung zurück und die Hochschulen erhielten mehr Aufgaben, Entscheidungskompetenz und Verantwortung. Das Modell unterstellt einen Leistungserstellungsprozess, der effizient gestaltet und dessen Output (in Forschung und Lehre) durch Kennzahlen, Ratings, Rankings, Evaluationen oder Ähnliches gemessen werden kann.

These 2: Universitäten werden heute (sehr) hierarchisch gesteuert und das soll sich noch verstärken.

Die Hochschulleitungsbefragung des Stifterverbands bietet Anhaltspunkte, wie sich die universitäre Praxis entwickelt hat (vergleiche Winde/Mönikes/Zinke 2016, 12–23): Strategieprozesse sind meist zentral verankert, werden fakultätsübergreifend umgesetzt und sind in fast der Hälfte der Fälle hierarchisch strukturiert. Keineswegs überall beteiligt man den Senat maßgeblich an wesentlichen Zielbildungsprozessen und man zweifelt daran, dass sich die rechtlich vorgegebenen Gremien- und Entscheidungsstrukturen für die Strategieentwicklung und -umsetzung eignen. Die Mehrheit hält eine weitere Stärkung der Hochschulleitungen daher für sinnvoll.

These 3: 0rganisationstheoretische Erkenntnisse und Erfahrungen außerhalb des Hochschulsystems werden ignoriert.

Auch wenn sich die zahlreichen Organisationstheorien auf keinen gemeinsamen Nenner bringen lassen, überrascht es, dass gerade die Akteure im Hochschulsystem organisationstheoretische Erkenntnisse völlig außer Acht lassen. Natürlich gab es mit Webers idealtypischen Bürokratiemodell oder Taylors wissenschaftlicher Betriebsführung klassische Frühwerke, jedoch ist es bald ein Jahrhundert her, dass mit den Hawthorne-Experimenten Organisationen nicht mehr als Maschinen betrachtet werden, deren Strukturen rein effizienzorientiert zu gestalten sind.

These 4: Die Professor:innen überließen es den Rektor:innen, außer Kraft gesetzte Entscheidungsstrukturen zu ersetzen.

Die Reformgesetze beseitigten über Nacht die akademische Selbstverwaltung in den Gremien und etablierten eine neue hierarchische Machtverteilung, woraufhin die Entmachteten die Haltung „Wir können ja sowieso nichts mehr machen“ an den Tag legten (Liebermann/Loer 2007, 196) und offensichtlich darauf hofften, dass es schon nicht so schlimm wird. Schließlich erwiesen sich die Universitäten, insbesondere aufgrund ihrer losen Kopplung, auch in der Vergangenheit schon als recht robust gegenüber Reformen. Die Entscheidungen wurden den Rektoraten nicht nur qua Amt überlassen, die Professor: innen und Gremien zeigten häufig nur geringes Interesse, daran mitzuwirken oder auch nur informiert zu werden. Ebenso wenig störte man sich längere Zeit daran, dass die Rektor:innen die Entscheidungsstrukturen nach ihren Wünschen neugestalteten. Ein langjähriger Präsident und Rektor betont, dass die Möglichkeit, situativ angepasste, auch partizipative Entscheidungsmodi wählen zu können, einen (großen) Vorteil der autonomen Hochschulen gegenüber früheren Modellen darstellt, selbst wenn das Maß an Hierarchieausübung den Präsidien und Rektoraten überlassen bleibt (Zechlin 2012, 54–57).

These 5: Das mit dem aktuellen Modell verbundene Risiko schlechten Managements ist zu groß, um sich weiterhin nicht der akademischen Selbstverwaltung zu stellen.

Aus Sicht eines ehemaligen Rektors muss das Risiko schlechter Führung mit dem aktuellen Managementmodell hingenommen werden (Zechlin 2017, 171). Da das Modell aber offensichtlich den heutigen Umweltbedingungen der Universitäten nicht gerecht wird, sollte man sich nicht damit abfinden. Zudem geben beispielsweise rund 60 Prozent der bayerischen Professor:innen an, nicht gut über Entscheidungen der Hochschulleitung informiert zu sein (vergleiche Hofmann/Kanamüller 2019, 88), und das ist bedenklich, auch wenn wir von Verhältnissen wie in Großbritannien noch entfernt sind; dort „hat die Professorenschaft den Kampf um den Einfluss auf die Entwicklung einer Hochschule gegen die Uni-Leitung schon verloren“ und der Senat ist zum „Mitteilungsgremium mit Powerpoint-Präsentationen“ verkommen (Clasen 2017).

Fazit

Im Gegensatz zu dem politisch verordneten Managementmodell, kann eine neue Form des Entscheidens in Universitäten nur von Rektor:innen und Professor:innen gemeinsam getragen werden. Fehlen an der Spitze das Bewusstsein und die Bereitschaft zur Veränderung, kann man diese spätestens bei der (Wieder-)Wahl der Hochschulleitung zu zentralen Anforderungsmerkmalen machen und entsprechend entscheiden. Außerdem gelingt eine solche Entwicklung hin zur kooperativen organisationsbezogenen Entscheidungsfindung nur, wenn neben der Veränderung der Managementsysteme auch eine entsprechende individuelle Qualifizierung erfolgt, das benötigt Zeit und setzt ein Umdenken auf allen Seiten voraus. Sie ist aber unumgänglich, wenn uns nicht Verhältnisse drohen sollen, wie sie aus anderen Ländern berichtet werden.

 

  • Der komplette Artikel ist im ► Onlineshop von Lemmens Medien erhältlich. Den Abonnenten der Zeitschrift Wissenschaftsmanagement steht der gesamte Beitrag in ihren Accounts zum kostenlosen Download zur Verfügung.

 

Univ.-Prof. Dr. Ewald Scherm ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation und Planung, an der FernUniversität in Hagen.

Foto: Hardy Welsch