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Wenn die Wahrnehmung des Hochschulmanagements aus der Zeit fällt

news

Frank Ziegele und Kai Handel

Meinung

Wenn die Wahrnehmung des Hochschulmanagements aus der Zeit fällt

Eine Antwort auf Ewald Scherms „Fünf Thesen, ein Fazit“, August 2022

In loser Folge möchte die Zeitschrift und Plattform Wissenschaftsmanagement einen bewusst kritischen Dialog zur weiteren Entwicklung der Themen Governance, Management für Hochschulen, Institute, Zentren und die Wissenschaft und Forschung insgesamt anregen. Den Auftakt machten unter anderem PD Dr. Veith Selk, Politikwissenschaftler an der TU Darmstadt (2019), gefolgt von Dr. Jochen Gimmel, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sonderforschungsbereich 1015 Muße: Grenzen, Raumzeitlichkeit, Praktiken an der Universität Freiburg (2021). Professor Dr. Ewald Scherm, FernUniversität in Hagen, setzte 2022 die Einlässe fort. Professor Dr. Frank Ziegele und Dr. Kai Handel, beide Hochschule Osnabrück, antworten in diesem Beitrag auf den zuletzt genannten Artikel. Weitere Pro- und Contra-Stimmen zum erreichten oder falsch erreichten „Management für die Wissenschaft” werden folgen.

Fotos: Sirko Junge (Ziegele); privat (Handel)

Ewald Scherm rechnet in seinem Beitrag „Wenn das Hochschulmanagement aus der Zeit fällt“ mit dem Hochschulmanagement ab. Diese Abrechnung beruht auf einem klar beschriebenen Bild:

  • Hochschulmanagement bedeutet Hierarchisierung und Zentralisierung. Niemand arbeitet an partizipativen, beteiligungsorientierten Steuerungsmodellen.
  • Strategieprozesse werden hierarchisch Top-down umgesetzt.
  • Entscheidungen der Führung werden auch gegen den Widerstand der Hochschulangehörigen durchgesetzt. Die akademische Selbstverwaltung steht dem völlig hilflos gegenüber.
  • Es herrschen Prinzipien wie „Angst“ oder „divide et impera“.
  • Es gibt kaum Möglichkeiten der Mitgestaltung, es herrscht Intransparenz.
  • Instanzen, die das „Gesamtwohl der Hochschule“ in den Blick nehmen, sind völlig überflüssig.
  • Von nennenswerter Qualifizierung und Professionalisierung von Hochschulleitungen kann keine Rede sein.


Wäre das alles so, dann würden wir Scherm unumwunden Recht geben: den Bedingungen der Wissenschaft würde nicht Rechnung getragen, es würde ein Managementmodell postuliert, das auch in der Wirtschaft nicht (mehr) funktioniert. Die Hochschule wäre in Gefahr. Gleichzeitig fragen wir uns angesichts unserer letzten 20 Jahre Erfahrungen im Wissenschaftsmanagement, auf welchem Hochschulplaneten Ewald Scherm lebt. Im Kern geht es uns um zwei Punkte:
 

  • Scherms Bild von Hochschulleitung und Zentralismus ist ein Zerrbild, das für die deutschen Hochschulen nicht charakteristisch ist. Die Frage des Hochschulmanagements darauf zu reduzieren, wie Befugnisse zwischen Präsidium und Senat verteilt sind, ignoriert einen Großteil der Errungenschaften des Hochschulmanagements.
  • Wie steht es um die Hochschulleitungen in Deutschland? Erfolgreiche Hochschulleitungen agieren partizipativ, wie jedes Jahr die Auswertungen der Antworten zum „Hochschulmanager des Jahres“ zeigen, wo sich Sätze finden wie „natürlich habe ich den Senat gefragt, auch wenn ich das nach Gesetzeslage nicht gemusst hätte“.

Trend zur Zentralisierung?

Auch die pauschale Annahme eines Trends zur Zentralisierung ist unzutreffend, zumal die Reform der Gesetze ja zuvorderst eine Abgabe von Kompetenzen der Ministerien an die Hochschulen, also eine Dezentralisierung war. Dieser Kompetenzzuwachs war nun innerhalb der Hochschulen neu zu regeln, was in zahlreichen Fällen zur hochschulinternen Dezentralisierung der Finanzkompetenzen geführt hat – durch dezentrale Globalhaushalte für die Fakultäten mit flexiblem Mitteleinsatz. Auch Spielräume bei Personalfragen sind in den Fakultäten entstanden. Strategiebildung ist an Hochschulen ein Gegenstromprozess, oft mit großen Spielräumen für die Entwicklungsplanung in den Fächern. Jedoch ist unserer Ansicht nach nicht zu bezweifeln, dass es einer Gesamtstrategie der jeweiligen Hochschule bedarf – nicht nur die jeweiligen Einzelkonzepte der Fakultäten oder Fächer. Für diese Gesamtstrategie zu sorgen, ist eine der Aufgaben einer modernen Hochschulleitung, die diese gemeinsam mit den akademischen Gremien aber auch anderen Stakeholdern immer neu auszudiskutieren und den Gegenstromprozess zu organisieren hat.

Unsere Hypothese wäre, dass die Lernschule, die strategisches Management als Gestaltung eines gemeinschaftlichen Lernprozesses betrachtet, an deutschen Hochschulen mindestens genauso verbreitet ist wie die stärker Top-down-gedachte Planungsschule. Und schließlich ist es auch schlichtweg falsch, dass es keinerlei Professionalisierung von Hochschulleitungen gäbe. Das Centrum für Hochschulentwicklung führt beispielsweise seit zehn Jahren das Programm „Führung als Chance“ durch, in dem Vize-Präsident:innen ihre Rolle und ihre Managementpraxis reflektieren und im kollegialen Austausch ihre Führungskompetenz entwickeln. Über 20 Teilnehmer:innen dieses Programms sind inzwischen Präsident:in einer Hochschule. Keine einzige dieser Personen hat ein hierarchisches Verständnis von der Funktionsweise einer Hochschule.

Modernisierungsmaßnahmen an den Hochschulen

Angesichts der Fixierung auf die Machtverteilung zwischen Hochschulleitung und Senat ist es Ewald Scherm zudem offenbar entgangen, was in den letzten 20 Jahren im Hochschulmanagement ansonsten passiert ist. Die allseits befürwortete zunehmende Autonomie der Hochschulen (anstelle der vorher üblichen Einzelentscheidungen der Ministerien) ging notwendigerweise mit der Einführung und Anwendung von Managementinstrumenten einher, wodurch gerade die Administration der Hochschulen durch einen enormen Modernisierungsprozess gegangen ist. Forschungsprozesse werden wirksam begleitet von der Antragstellung bis zur Endabrechnung. Das Studierendenmarketing hat sich professionalisiert. Modernes Finanzmanagement erlaubt den Umgang mit Risiken und die Steuerung diversifizierter Finanzströme. Personalentwicklung ist für Hochschulen kein Fremdwort mehr. Qualitätsmanagement gestaltet organisationale Lernprozesse zur selbstbestimmten Entwicklung von Qualität in den Fächern. Auch die Methoden des agilen Managements mit der Logik kurzer Zyklen und der Eigenverantwortung von Product Ownern finden zunehmend Verbreitung. All dies sind Dinge, die Hochschulen besser machen und die dazu geführt haben, dass deutsche Hochschulen heute mehr als je in der Lage sind, flexibel auf die Herausforderungen ihrer Umwelten einzugehen.

Gerne stimmen wir Ewald Scherm in diesem einen Punkt zu: „Man muss sich neu mit der akademischen Selbstverwaltung auseinandersetzen.“ Um diese steht es schlecht, da (wie Scherm selbst anmerkt) das Engagement der Professor:innen in der Selbstverwaltung nie ausgeprägt war und viel eher die Scientific Community als die eigene Universität im Vordergrund stand. Zudem ist sie in den Reformen der letzten Jahre selten explizit und positiv adressiert worden.

Während sich also die Rolle der Hochschulleitungen (als „Top-Management“) in den letzten 20 Jahren tiefgreifend mit Unterstützung der Gesetzgeber verändert hat und vielfach mit Professionalisierungsmaßnahmen begleitet wurde, und sich für das „mittlere Management“ die neue Profession des Wissenschaftsmanagements herausgebildet und professionalisiert hat, wurde die Rolle der akademischen Selbstverwaltung weder neu gedacht noch weiterentwickelt. Senaten und Fakultätsräten fehlt es teilweise an Orientierung über die ureigenen Zuständigkeiten (und auch Grenzen derselben) und an der Zeit, Muße und Qualifizierung, diese Aufgaben verantwortungsvoll auszuüben. Stattdessen finden Gremienentscheidungen viel zu häufig hinter verschlossenen Türen und mit mangelnder Sachkenntnis statt.

Das Hochschulmanagement hat auf diesen Umstand, wie oben ausgeführt, durch vielfältige andere (agilere?) Beteiligungsformate (erweiterte Hochschulleitungen, Open-Space-Konferenzen et cetera) reagiert, um (wie von Scherm gefordert) zu einer „kooperativen organisationsbezogenen Entscheidungsfindung“ zu kommen. Hier kann man ansetzen und für die Neudefinition der akademischen Gremien lernen. Die Angehörigen der Selbstverwaltungsgremien dürfen bei Qualifizierungs- und Professionalisierungsmaßnahmen nicht außen vor bleiben.

Fazit

Man mag unseren Ausführungen vorwerfen, dass wir die positiven Beispiele überzeichnet hätten. Dann gilt aber noch viel mehr für Scherm die Überzeichnung der negativen. Gutes Hochschulmanagement kann nur bedeuten, permanent an einem modernen, partizipativen Managementverständnis zu arbeiten, das durch ein „cultural customizing“ in Bezug auf Hochschulkultur getragen ist und auch die besondere Rolle der akademischen Selbstverwaltung mit einbezieht. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.
 

  • Der komplette Artikel ist im ► Onlineshop von Lemmens Medien erhältlich. Den Abonnenten der Zeitschrift Wissenschaftsmanagement steht der gesamte Beitrag in ihren Accounts zum kostenlosen Download zur Verfügung.

Prof. Dr. Frank Ziegele ist Professor für Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der Hochschule Osnabrück und Geschäftsführer des CHE Centrum für Hochschulentwicklung.

Dr. Kai Handel ist Verwalter einer Professur an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Hochschule Osnabrück und unterrichtet im Hochschul- und Wissenschaftsmanagement.